Ewig
meinte Li Feng zu seinem Chauffeur, »wir haben genug Zeit. Nichts wäre ärgerlicher, als jetzt wegen eines Verkehrsunfalls die gesamte Aktion zu riskieren.« Erleichtert ging der Chauffeur des Botschafters vom Gas und ließ die Geschwindigkeit des A8 auf 100 km/h fallen. Der General lehnte sich nach einem Blick auf die Uhr zufrieden zurück. Sie würden rechtzeitig da sein, was immer in Chemnitz auch passieren würde.
Valerie bog auf die A4 ein und bald war ihr klar, dass die ersten dreißig oder vierzig Kilometer auf dieser Strecke eine Herausforderung an ihre Fahrkünste werden würden. Es ging bergauf und bergab, in kühnen Kurven schwang sich die Autobahn über die Kuppen und durch die Senken des ostthüringischen Hügellandes. Bis Chemnitz waren es noch rund siebzig Kilometer und die dunklen Wolken am Horizont waren in der Zwischenzeit noch schwärzer und bedrohlicher geworden. Goldmann wagte es gar nicht mehr, auf das Display der Navigation zu schauen. Jede Minute, die ihr jetzt fehlte, hatte Weinstein auf dem Gewissen, dieser Militärattaché des Unglücks, dachte sie immer wieder. Mehr als 180 km/h waren auf der kurvigen Autobahn nicht möglich und sie musste sich eingestehen, dass sie gerade dabei war, das Rennen zu verlieren. Wenn sie nicht rechtzeitig am Hauptbahnhof war, dann würde es nicht mehr möglich sein, die Spur von Wagner und Sina wiederzufinden. Dann war alles verloren. Valerie biss die Zähne zusammen und stieg aufs Gas. Dann fing es plötzlich an zu schneien und sie fuhr in eine weiße Wand aus wirbelnden Schneeflocken.
Breitensee, Wien/Österreich
P eer van Gavint bezahlte das Taxi und stieg aus. Er wollte den Rest des Weges zu Fuß gehen, schon um sicher zu sein, dass ihm niemand gefolgt war. Vorsichtig bahnte er sich seinen Weg durch das Gestrüpp und das hohe Gras, über die Gleise und Schwellen hinweg. Als er die hohen Buchen in der Ferne auftauchen sah, verlangsamte er seinen Schritt und lehnte sich an eine Hauswand, die über und über mit Graffiti beschmiert war. Die Fenster hatten schon lange kein Glas mehr und durch die schief in den Angeln hängenden Türen pfiff der Wind. Eine Ratte huschte lautlos über den Schotter und verschwand schnüffelnd in einem Kellerloch. Gavint wartete und beobachtete. Er stand mehr als zwanzig Minuten bewegungslos und achtete auf jedes Geräusch, jeden fremden Laut, jede Bewegung. Er hatte ein weites Blickfeld und das suchte er immer wieder von Neuem ab, von rechts nach links und wieder zurück, geduldig, immun gegen die Kälte. Dann entdeckte er sie. Es waren vier Mann, die mit Feldstechern in Tarnanzügen unter einem Gebüsch in Sichtweite von Wagners Remise lagen. Einer von ihnen hatte sich eine Zigarette angezündet und Gavint war das kurze Aufleuchten des Feuerzeuges sofort aufgefallen. Der Wind hatte gedreht und jetzt roch der Südafrikaner auch den Rauch der Zigarette. Rauchen schadet der Gesundheit, dachte Gavint lächelnd und bereitete sich vor.
Er bewegte sich langsam, zog sich vorsichtig zurück und schlug einen großen Bogen auf die andere Seite der Remise. Dann begann er mit seiner Suche. Als er nach weiteren zwanzig Minuten den großen Mercedes mit dem tschechischen Kennzeichen gefunden hatte, der gut versteckt dicht an einer Wand zwischen zwei Lagerhäusern geparkt war, griff er in seine Umhängetasche und holte eine Handgranate heraus. Er entsicherte sie und rollte sie mit Schwung in Richtung des schweren Wagens. Dann sah er zu, wie sie über die Betonplatten sprang, über einen kleinen Grünstreifen rollte und schließlich unter dem Mercedes verschwand. Er bereitete sich auf die Explosion vor, sah den grellen Blitz, die Detonation und dann explodierte der Benzintank und hob den schwarzen Wagen einen halben Meter hoch, bevor er brennend wieder auf die Reifen zurückfiel. Dicker schwarzer Rauch stieg auf und der Donner der Detonationen rollte über die Gleise und durch die Gassen der verlassenen Lagerhäuser, die sie im Echo wieder zurückwarfen.
Gavint holte seine Pistole mit Schalldämpfer aus der Umhängetasche, lud sie durch und wartete. Er wettete mit sich, dass sie einen Fehler machen würden. Und tatsächlich. Es dauerte keine zwei Minuten und einer der vier Beobachter kam um die Ecke gestürmt, ein Steyr-Schnellfeuergewehr in der Hand. Er sah den brennenden Wagen, blieb wie erstarrt stehen und riss das Gewehr hoch. Gavint schüttelte den Kopf. »Anfänger«, flüsterte er, zielte und drückte ab. Der Mann ließ das Gewehr
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