Ewig
wanden – das werden wir an Ort und Stelle herausfinden müssen, aber ich kann mir vorstellen, dass es am Eingang der Burg oder des Klosters ein Marienstandbild mit einem Rosenstrauch gab. Sollst Du vor Kaiser Lothar Dich verneigen, so viel gerühmt in unsren Sachsen-Landen – nun, das Standbild des Herrschers kann noch da sein, wenn nicht, dann müssen wir herausfinden, wo es war. Warum wir uns verneigen sollen? Keine Ahnung, aber wir werden ja sehen.« Sina sah den ratlosen Ausdruck seines Freundes und musste lachen. »Schau nicht so verzweifelt, Paul, das wird sich alles ganz logisch ergeben, wenn wir erst mal dort stehen, wo uns dein Vorfahre hin schicken möchte.« Er wandte sich wieder dem Pergament zu.
»Dann sollst Du frech der Kaiserin den Rücken zeigen – das sollte dir nicht schwerfallen, Paul, dreh dich also um und schau in die Richtung, in die die Kaiserin schaut. So blickst Du wohin niemals Phoebus Wagen fährt – also nach Norden, dort steht niemals die Sonne. Kaiserin im Rücken, Norden vor uns. Ein erster Anfang. Nun geh nach Leipzig wohl tausend Schritte, Nicht am Grund, sondern wie’s der Rabe lehrt – jetzt wird’s schwierig. In Richtung Leipzig ist klar, deshalb brauchen wir auch die Landkarte. Tausend Schritte sind in den alten Maßen tausend Meter, pro Schritt ein Meter. Wie es der Rabe lehrt? Also Luftlinie von dem Punkt aus, wo wir nach Norden schauen und der Kaiserin den Rücken zukehren. Wie man tausend Schritte in direkter Linie machen soll, das frage ich mich. Damals war das vielleicht möglich, da gab es wahrscheinlich nur Wiesen und Äcker und vielleicht etwas Wald rund um den Startpunkt bei Schloss oder Kloster. Aber heute?« Sina kratzte sich am Kopf. »Wir brauchen eine gute Karte und zu Anfang jemanden, der sich in der Geschichte der Stadt ein wenig auskennt. Und dann haben wir noch die beiden letzten Zeilen: Dort findest Du in des Dornenstrauches Mitte Dr. Fausti Hoellenzwang ganz unversehrt – also das mit dem Dornenstrauch vergessen wir gleich wieder, der ist schon lange verblüht und vertrocknet. Und das mit dem unversehrt hoffen wir stark …«
Wagner nickte nachdenklich. »Ich frage mich, wie ein Buch eingepackt sein muss, damit es hunderte von Jahren vergraben überlebt und immer noch lesbar ist.«
»Das, mein Freund, werden wir erleben«, lächelte Sina, »und wenn wir es nicht finden, dann brauchst du dir darüber auch keine Gedanken mehr zu machen. Ob Metallkassette oder Lederbeutel spielt dann auch keine Rolle mehr.«
Plötzlich quietschten die Bremsen, der Zug wurde langsamer und rollte an langgestreckten Lagerhallen und abgestellten Lokomotiven vorbei in den Hauptbahnhof von Dresden. Draußen ballten sich dunkle Wolken zusammen und es sah nach Schnee aus.
Einige Abteile entfernt zog sich der unbekannte Reisende aus Wien seinen Mantel an und machte sich zum Aussteigen bereit. Er war an seinem Ziel angekommen. Als Wagner und Sina an ihm vorbeigingen, machte er den beiden lächelnd Platz und überließ ihnen den Vortritt. Dann nahm er seinen Hut, setzte ihn auf und folgte ihnen aus dem Zug.
Allgemeines Krankenhaus, Wien/Österreich
B öse Zungen würden behaupten, Sie arbeiten in Ihrer Pension mehr als früher, Kommissar«, kicherte Eddy und freute sich wie ein kleines Kind über sein Bonmot. »Aber wie ich höre, sind Sie gesund und munter und man hat Ihnen in der Sicherungsabteilung des Krankenhauses sogar Ihr Handy gelassen.«
Berner grunzte unverbindlich. »Eigentlich gar nicht so schlecht, so ein Spitalsbett, Vollverpflegung, immer eine nette Ansprache und medizinische Betreuung rund um die Uhr.«
»Und eine Leibwache vor der Abteilungstüre«, ergänzte Eddy ironisch. Im Hintergrund übertönten Arbeitsgeräusche, Hämmern, Schweißen und laute Zurufe fast die Stimme des Exringers.
»Hört sich nach gut gefüllten Auftragsbüchern an, Eddy«, meinte Berner und setzte sich auf. Das Zimmer drehte sich ein wenig, beruhigte sich aber schnell wieder. Der Kommissar begann sich besser zu fühlen. »Hast du da überhaupt noch Zeit für deine Freunde?«
»Wie meinen Sie das, Kommissar?«, fragte Eddy vorsichtig und Berner hörte, wie er aufstand und die Tür zu seinem Büro zumachte. Der Hintergrundlärm der Werkstatt wurde mit einem Schlag leiser.
»Ich frage mich, ob du noch immer so gut bist wie früher, Eddy. Ob du nicht im Lauf der Jahre deine Fingerfertigkeit verloren hast, im Kampf gegen das Übergewicht und um die Aufträge deiner Werkstatt. Ob
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