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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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noch lebte und Hans Mertens beobachtete. Wagner und Sina hätten über ihren ersten Besuch in der Ruprechtskirche nie hinaus kommen dürfen. Sie lebten schon zu lange. Bischof Kohout war fest entschlossen, das hier und jetzt zu ändern.
    Er wollte gerade aussteigen und seinen Männern ein Zeichen geben, ihm zu folgen, als er durch das dichte Schneegestöber die beiden Audi A8 mit den Wiener Diplomatenkennzeichen vorüberrollen sah. Sie fuhren an den Straßenrand und hielten mit laufendem Motor in Sichtweite der Kirche. Eines der Fenster glitt nach unten und für einen kurzen Moment blickte Kohout in das lächelnde Gesicht General Li Fengs.
    In der Schlosskirche war es dank einer Fußbodenheizung mollig warm und Paul Wagner, der es sich in einer der Bänke bequem gemacht hatte, dachte ernsthaft darüber nach, das Ende des Schneesturms hier abzuwarten. Der Pastor war hilfsbereit und geschichtsbewusst und erfreute sich bester Gesundheit, so viel zum Abendessen, dachte der Reporter. Der Pfarrer, sympathisch unrasiert und in Jeans und weißem Hemd unter seinem offenen Talar, stand gerade mit Georg Sina vor einem großen, braunroten Steinportal, das fast zehn Meter hoch im Inneren der Kirche aufragte und die beiden fachsimpelten angeregt über einen Kaiser Lothar und eine Kaiserin Richenza.
    Die Frau des Pastors werkte in der Sakristei der Kirche und polierte zwei große, fünfarmige Kerzenleuchter, als Paul beschloss, ihr Gesellschaft zu leisten, bevor er in der Bank einschlief. Er nahm Stadtplan, Landkarte und die Broschüren und ging langsam zwischen den Reihen der Bänke bis vor die Tür der Sakristei, die links vom Altar lag. Da versperrte ihm plötzlich eine lebensgroße Geißelungsgruppe, die aus einem riesigen Baumstamm geschnitzt und in lebhaften Farben bemalt worden war, den Weg. Jesus war an einen Baum gebunden und zwei Männer schlugen mit neunschwänzigen Peitschen auf ihn ein, das Blut rann ihm über den Körper.
    »Ziemlich brutal, oder?«, ertönte eine weibliche Stimme hinter der Gruppe und als er aufblickte, sah er die Frau des Pastors mit einem dunklen Putzlappen lächelnd vor ihm stehen. Hinter ihr in der Sakristei sah er auf einem langen Tisch die beiden Kerzenleuchter liegen. Sie glänzten wie neu versilbert.
    »Ja, sehr lebensecht, zum Fürchten …«, bestätigte Wagner und umrundete die Gruppe.
    »Das war früher unser Altar, bevor sich immer mehr Paare weigerten, sich vor einer Geißelungsgruppe und einem blutüberströmten Jesus das Jawort zu geben«, meinte die Frau und deutete dann auf den wunderschönen Altar aus dem 14. Jahrhundert, der wie geschaffen für den Innenraum der Kirche wirkte und nun das zentrale Stück in der Apsis war. »Dann bekamen wir diesen Altar mit dem heiligen Christophorus und die Gruppe mit dem blutenden Jesus wurde an die Seite gestellt. Seither hat es bei Trauungen keine Beschwerden mehr gegeben.«
    Sie drehte sich um und ging zurück in die Sakristei. Paul Wagner half ihr, die beiden frisch polierten silbernen Kerzenleuchter wieder an ihren Platz in der Kirche zurück zu tragen. Georg Sina und der Pastor waren noch immer im Gespräch vertieft und Wagner nutzte die Gelegenheit, die Karten und den Stadtplan auf dem großen Tisch aufzulegen. Draußen schneite es in großen Flocken und nach einem Blick durch das Fenster der Sakristei kam es Wagner vor, als würde der frisch gefallene Schnee die Erde wie ein blütenweißes Leichentuch bedecken.
    Valerie war verzweifelt. Als sie endlich auf dem Parkplatz vor dem Hauptbahnhof aus dem Mazda stieg, war es 14:28 Uhr und ihr war klar, alles war vorbei. Sie hatte Wagner und Sina verpasst, hatte ihre Spur verloren, bevor sie die beiden überhaupt gefunden hatte. Der Schneefall auf der Autobahn war so stark gewesen, dass Goldmann teilweise gar nichts mehr gesehen und nur mehr auf ihr Glück vertraut hatte. Jetzt stand sie in der großen Bahnhofshalle und schaute hoffnungsvoll auf die Ankündigungstafeln der Züge. Der Interregio 3088 aus Dresden war bereits aus der Liste der Züge gelöscht.
    Entmutigt sank sie auf eine der Bänke und blickte sich um. Von Sina und Wagner war weit und breit nichts mehr zu sehen. Menschen eilten geschäftig durch die Halle, zogen Koffer hinter sich her oder verabschiedeten sich von Angehörigen. Vor einem Buchladen stand ein Drehständer mit den neuesten Zeitungen und eine Verkäuferin sortierte in einer Sonderangebotsvitrine die Bücher neu. Im leeren Blumenladen nebenan war eine dicke Floristin

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