Ewig
große Summe bei den Fuggern hinterlegt, zu erstklassigen Konditionen. Selbst große und bedeutende karitative Vorhaben, wie die Gründung von Spitälern oder die Einrichtung von Armenhäusern, hatten nie ein großes Loch in das Budget des Ordens gerissen. Der Rat der Zehn, die Bewahrer, waren stets vorzüglich ausgestattet gewesen, durch die Jahrhunderte hindurch bis heute. Selbst in den dunkelsten Zeiten hatten weder Regierungswechsel noch Wirtschaftskrisen oder Inflation den Schutz des Geheimnisses beeinträchtigen können. Der Rat war noch nie gescheitert, weder am Geld noch an den Umständen. Was Berner las, war eine fünfhundert Jahre lange Erfolgsgeschichte, stellenweise mit Blut geschrieben.
»Guten Abend, Herr Kommissar!« Die leise Stimme ließ ihn hochfahren und schuldbewusst die Mappe zuschlagen, in der er gerade gelesen hatte. Er blickte sich um. Im Schatten der Eingangstüre, außerhalb des matten Lichtkreises der Leselampe, stand eine zierliche Gestalt, die eine Pistole in der Hand hielt.
»Ich habe es mir gedacht«, sagte Berner leise in die Dunkelheit. Ein Hauch von »Ange ou Démon« erfüllte den Raum. »Sie waren es, die mich bewusstlos geschlagen und dann den jungen Pfarrer in der Schotten Kirche erschossen hat. Als Notärztin sind Sie fünfzehn Minuten später wieder auf der Bildfläche erschienen, einen Metallkoffer in der Hand und das notwendige Wissen im Gepäck. Nur das Parfum konnten Sie nicht abwaschen.«
Schwester Agnes lächelte und trat langsam in den Lichtkreis. »Gut kombiniert, Kommissar. Ich habe in meiner Jugend begonnen, Medizin zu studieren, bevor ich in den Orden eintrat. Es war nicht so schwierig, eine Diagnose zu stellen in Ihrem Fall.«
»Vor allem nicht, nachdem Sie es waren, die mich niedergeschlagen hatten«, brummte Berner.
»Legen Sie bitte Ihre Waffe vorsichtig auf den Schreibtisch und Ihr Handy gleich dazu, dann treten Sie bis an die gegenüberliegende Wand zurück, Kommissar. Ich möchte Sie nicht verletzen, aber ich würde nicht eine Sekunde zögern und das wissen Sie.«
Berner holte langsam den Colt aus dem Schulterhalfter und sein Telefon aus der Manteltasche, dann legte er beides auf die Mappe mit der Aufschrift »Heydrich«, in der er zuletzt gelesen hatte. »Sie sind vor nichts zurückgeschreckt, um das Geheimnis Friedrichs zu schützen«, sagte Berner und trat an die gegenüberliegende Wand zurück. »Faust, Brahe, Saint-Germain, Cagliostro, Rasputin, Heydrich, eine illustre Runde des Todes.«
Schwester Agnes nickte stumm, nahm den Colt Berners und entlud ihn. Dann schaltete sie sein Handy ab und wandte sich an den Kommissar. »Ich freue mich, Sie heute als Gast in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Manchmal nimmt uns Gott wichtige Entscheidungen ab. Dafür sollten wir ihm danken.«
»Amen«, erwiderte Berner und fragte sich, wie sie das gemeint hatte.
Kapitel 10 – 17.3.2008
Schloss Panenske-Brezany nördlich von Prag/Tschechische Republik
D ie Sonne war kaum über den Horizont gestiegen, als der schwarze, glänzende Sikorsky S-76-Executive-Hubschrauber mit Schwester Agnes und Kommissar Berner nach einer großen Runde über Prag und einem eleganten Anflug über einem gepflegten Park mit seinen weißen Vasen und griechischen Statuen direkt neben der restaurierten barocken Kirche landete. Das obere Schloss des Gutes war keinen Steinwurf weit entfernt.
Panenske-Brezany, unweit der Autobahn Prag–Dresden, kaum fünfzehn Kilometer nördlich von Prag gelegen, bestand neben dem alten Park aus weiten Ländereien, zwei Schlössern und ausgedehnten Nebengebäuden.
»Was für ein bescheidener Landsitz für einen karitativen Orden«, meinte Berner spöttisch, nachdem ihm Schwester Agnes aus dem Hubschrauber geholfen hatte. Das kleine, barocke Schloss, in Rosa und Weiß gehalten und an drei Seiten hinter hohen Bäumen versteckt, lag am Rande ausgedehnter, gepflegter Grünflächen, in die immer wieder Rosenbeete eingestreut waren.
»Auch der Helikopter gehört wahrscheinlich zu Ihrem alltäglichen Fuhrpark«, stichelte Berner und Schwester Agnes lächelte ihn nachsichtig an.
»Wir denken in großen Zeitabschnitten und Dimensionen. Wenn man fünfhundert Jahre ein Geheimnis hütet, dann darf man keine kurzsichtigen Entscheidungen treffen. Das hier ist historischer Grund und Boden, Kommissar, der Ort ist so alt wie unser Orden. Er war Besitz des Benediktinerinnenklosters St. Georg auf der Prager Burg, dann wurde er im Dritten Reich im Zuge der Arisierung von
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