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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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schrieb die fünf Vokale auf jedes wichtige Schriftstück. Sie müssen ihm wirklich am Herzen gelegen haben und dennoch konnte sie bis heute niemand entschlüsseln.« Schließlich wies er auf die Empore. »Diese Inschrift muss nicht von 1439 stammen und soviel ich weiß, war es erst viel später, dass Friedrich sie anbringen ließ.«
    Wagner hatte aufmerksam zugehört, aber nun schüttelte er energisch den Kopf. »Georg, das ist alles seit fünfhundert Jahren vorbei. Warum sollte jemand für diese Inschrift töten? Was würde es an der Geschichte, an dem Geschichtsbild von Friedrich ändern? Und wen interessiert heute überhaupt noch Friedrich III.?« Paul Wagner war ratlos. »Ich weiß, du meinst, dass dieser Mord mich auf den Plan rufen sollte, aber weshalb? Ich wusste nicht einmal, dass dieses AEIOU überhaupt existiert!«
    Sina setzte sich in eine der Bankreihen und fuhr mit seinen Händen fast zärtlich über die schmale Ablage, auf der während der Messe die Gesangsbücher geöffnet wurden. Er begann mit dem Zeigefinger der rechten Hand unentwegt Dreien auf das Holz zu malen – eine Angewohnheit, die er seit seiner Schulzeit hatte, ein Zeichen höchster Anspannung und Konzentration.
    »Denk mit«, forderte er Wagner auf. »51. Er hinterlässt uns die Zahlenwerte von AEIOU. Er verwandelt damit Buchstaben zu Zahlen. 51 und 1439. Ergibt 1490, wenn wir sie addieren.« Sina lächelte. »Das ist eine erste Ebene. In diesem Jahr stirbt Matthias Corvinus, der große Gegenspieler von Friedrich in Wien. Im Jahr 1439 zieht Friedrich in die Stadt ein. Es geht also um ihn und um Corvinus. Das allein sagen uns die Zahlen. Dazu brauchen wir die Buchstaben gar nicht.«
    Wagner hatte sich neben ihn gesetzt. »Wer war Matthias Corvinus?«
    »Lateinisch für ›Der Rabe‹. Der einzige ungarische König aus dem Geschlecht der Hunyadis, der einzige, der einen Raben im Wappen führte. Er eroberte weite Teile der Habsburgischen Erblande, war eine wahre Plage für Kaiser Friedrich, vertrieb ihn aus Wien und regierte selbst hier fünf Jahre lang bis zu seinem Tod. Aber Friedrich überlebte ihn wie fast alle seiner Widersacher.«
    Sie hörten, wie Pater Johannes den Vorrat an Kerzen auffüllte und den Opferstock aufschloss. Einige Münzen klimperten in den kleinen Beutel des Pfarrers. Wagner kontrollierte instinktiv die gelblichen Steinplatten. Die Spuren der Mordkommission waren beseitigt worden, die Kreidestriche auf dem Boden der Kirche verschwunden. Es roch nach gelöschten Kerzen.
    Sina war inzwischen verstummt, sein Blick ging ins Leere. Gerade als er erneut ansetzte zu sprechen, sprang die Tür auf und Kommissar Berner stürmte mit wehendem Mantel in die Kirche, blickte sich nur kurz um und stand nach einigen schnellen Schritten neben ihnen.
    Wagner schaute demonstrativ auf die Uhr. »Nicht schlecht, gar nicht schlecht, Herr Kommissar. Dreizehn Minuten. Und ich dachte, Sie würden mindestens fünfzehn Minuten brauchen. Haben Sie das Blaulicht eingeschaltet?«
    Berner machte eine wegwerfende Handbewegung und beachtete den Reporter weiter gar nicht. Er schaute an Wagner vorbei, beobachtete Sina, dessen Zeigefinger noch immer Dreien aufs Holz malte.
    »Professor Sina, welche Überraschung! Begeben Sie sich nur kurz in die Niederungen der plebejischen Welt oder haben Sie vor, länger zu bleiben?«
    Der Wissenschaftler ignorierte den Kommissar, schien weit weg, unterwegs im Labyrinth seiner Gedanken. Schlug einen Bogen zwischen Friedrich und Corvinus, zwischen den fünf Buchstaben und einem skurrilen Mord.
    »Ist es in Ihrer baufälligen Ruine zu kalt geworden oder regnet es herein?« Berner zog sein Notizbuch aus der Tasche. »Wie auch immer. Wenn Sie Informationen haben, dann lassen Sie hören. Ich nehme an, Ihr Freund Wagner hat Ihnen von dem Mord erzählt und Sie wegen der Buchstaben hierhergebracht.« Der Kommissar deutete auf die Empore.
    Sina lächelte vor sich hin. »Diesen fünf Buchstaben hat in den letzten fünfhundert Jahren niemand ihr Geheimnis entlocken können, Kommissar«, sagte er, »wieso nehmen Sie an, dass ich es kann?« Er schaute den Kriminalbeamten an und seine Augen waren plötzlich so dunkel wie gebläuter Stahl. »Sie stören, Berner. Sie stören meine Überlegungen. Leute wie Sie haben mir in den letzten drei Jahren am wenigsten gefehlt.«
    Wagner grinste spöttisch.
    Gerade als Berner wütend zur Entgegnung ansetzen wollte, klingelte sein Handy. Unwirsch meldete er sich, hörte wortlos zu. Als er das

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