Ewig
Lampen, die das Gold, die Perlen und die 144 Edelsteine erstrahlen ließen. Der übrige Ausstellungsraum lag im Dunkel und der Museumswärter, der die Krone und die drei späten Besucher nicht aus den Augen ließ, war nur schemenhaft zu erkennen. Paul hatte seine Beziehungen spielen lassen müssen, da er, Georg und Valerie es nicht mehr rechtzeitig vor der Schließung der Ausstellung geschafft hatten. Der Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien, ein persönlicher Freund Wagners, hatte ihnen noch eine halbe Stunde eingeräumt, nachdem alle anderen Besucher gegangen waren. So standen Sina, Wagner und Goldmann nun allein vor der Vitrine mit dem wichtigsten Prunkstück der Wiener Schatzkammer.
»Friedrich war genial«, sagte Georg Sina ehrfürchtig in die Stille. »Er konnte die rote Pille nur mit einer List verstecken, weil er sonst lediglich eine einzige Gelegenheit gehabt hätte, nämlich bei seiner Krönung 1452 in Rom. Die Reichskleinodien wurden damals nicht in Wien, sondern in Nürnberg aufbewahrt und nur anlässlich seiner Krönung zum Kaiser verließen sie die Stadt und wurden nach Italien gebracht.« Sina lächelte und wies auf die Vitrine.
»Aber schaut euch die Krone zuerst genau an. Für alle Edelsteine und Perlen wurden Löcher in das Gold gesägt, damit das Licht auch von hinten durch die Steine fallen konnte und sie richtiggehend glühten. Damit war es nicht möglich, etwas hinter einem Stein zu verbergen. Also musste Friedrich die Pille im Inneren eines Steines verstecken und der Zufall kam ihm dabei zu Hilfe.« Wagner und Goldmann lauschten atemlos und es schien, als ob selbst der Museumswächter, der sich nicht rührte, aufmerksam zuhörte. Die Lösung des letzten Rätsels lag nun vor ihren Augen.
»Wenige Jahre zuvor war der berühmteste Edelstein des Mittelalters, der sogenannte ›Waise‹ aus der Krone verschwunden. Man nannte ihn deshalb ›den Waisen‹, weil er weder vorher noch nachher jemals woanders zu sehen war als in der Reichskrone. Es handelte sich um einen blutroten Edelstein, über den der zeitgenössische Historiker Albertus Magnus schrieb › dieser Edelstein glänzt stark und es heißt, er habe einst sogar bei Nacht geleuchtet; doch das tut er in unserer Zeit nicht mehr. Wohl aber wird gesagt, dass er die Ehre des Reiches bewahre. ‹ Nun, die Wissenschaftler streiten sich bis heute, wo der Waise in der Krone angebracht war, aber sowohl der Saphir als auch der Rubin in der Stirnplatte passen nicht zu ihren jeweiligen Fassungen, wenn ihr genau hinschaut. Friedrich beriet sich also mit seinen Alchemisten und ließ einen Stein anbohren, der ungeschliffen war, nicht glänzte und fast undurchsichtig war und in dem entstandenen Hohlraum versteckte er die Pille. Dann ließ er den Stein wieder kunstvoll verschließen und bot ihn als Ersatz für den Waisen an, ließ ihn in der Krone anbringen und hatte sein Ziel erreicht. Er hatte die wichtigste, die rote Pille, in dem mächtigsten Symbol versteckt, das seine Zeit zu bieten hatte – in der Reichskrone.«
»Und wo waren die anderen zwei Pillen versteckt? Mertens hatte erwähnt, dass es eine schwarze und eine weiße ebenfalls gab.« Valerie ertappte sich dabei, dass sie vor Ehrfurcht flüsterte und dabei die Steine auf der Stirnplatte nicht aus den Augen ließ.
Georg nickte und fuhr fort: »Die schwarze Pille des Matthias Corvinus, genannt der Rabe, seines Zeichens Alchemist und ungarischer König, war in der ›Szent Korona‹, der ungarischen Königskrone versteckt. Sie galt den Magyaren als die ›einzig heilige‹ Krone, symbolisierte die Einheit Ungarns, verband das irdische mit dem himmlischen Königreich und daher war keine andere als die heilige Krone bei einer Krönung zulässig. Interessant ist, dass traditionell die Krone immer zusammen mit zwei Engeln als Beweis für ihre göttliche Herkunft dargestellt wurde.«
»Da sind unsere Engel wieder«, gab Valerie zu bedenken.
»Die heilige Krone, von der ich spreche, entstand zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert und liegt heute in Budapest in einem streng bewachten Safe. Die ursprüngliche, originale Stephanskrone aus dem Jahr 1000 in Form eines Diadems ging um das Jahr 1075 irgendwo in Österreich verloren.«
»Und man hat sie nie mehr gefunden?«, fragte Paul.
»Nein, sie blieb für immer verschwunden. Wie die schwarze Pille jedoch zwischen die beiden Teile der heiligen Krone, die innere und äußere Stirnplatte mit dem Christus Pantokrator gekommen ist, das ist bis
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