Ewig
heute unbekannt. Fest steht, dass der Priesterkönig Johannes sie erwähnte, als er die drei ›Steine‹ an Friedrich den Staufer übergab. Die schwarze Pille, das erste Stadium der alchemistischen Transmutation, machte unbesiegbar. Corvinus und seine schwarze Armee waren tatsächlich unbesiegbar und sie drängten nach Österreich, weil sie auf der Suche nach der roten Pille waren, nach dem ultimativen Geheimnis Kaiser Friedrichs. Aber das bekamen sie nie. Der Legende nach jedoch warten König Matthias und seine Getreuen bis heute im Inneren des Berges Petzen auf das Kommen einer Weltschlacht.« Georg dachte kurz nach und erklärte weiter.
»Die weiße Pille, Zeichen der zweiten Stufe der alchemistischen Verwandlung, war in der Wenzelskrone des Königreiches Böhmen versteckt, der Lilienkrone, die aus Tradition weiß als Hauptfarbe repräsentiert. Als Heydrich nach den ersten Hinweisen die weiße Pille in der Wenzelskrone entdeckte, glaubte er, sie sei das wahre Geheimnis Friedrichs, weil er die rote Pille nie fand und überhaupt nur von der Existenz einer einzigen Pille wusste. Also ließ er die weiße analysieren, aber er hatte immer Angst, dass jemand sein Geheimnis entdecken könnte. Argwöhnisch, wie er war, versteckte er die Pille in seinem Zahn. Er hatte bald herausgefunden, dass sie unverwundbar machen sollte. Was konnte ihm also noch passieren? Er brauchte ja nur zubeißen. Er setzte sich die Wenzelskrone auf und ignorierte ihren Fluch, er flog waghalsige Angriffe an der russischen Front und er lief seinem Attentäter sogar noch entgegen. Wenn die Tempelherren nicht gewesen wären, dann hätte sich Heydrich mit der Herstellung der Pille als entscheidende Wunderwaffe des Zweiten Weltkriegs an die Spitze des Deutschen Reiches gesetzt und alles wäre ganz anders gekommen.« Sina verstummte und alle Augen waren nun auf die Reichskrone gerichtet.
»Und nun zur roten Pille, der dritten und höchsten Stufe der Verwandlung, der königlichen Farbe, der Farbe des kaiserlichen Drachen. Sie verleiht nicht nur das ewige Leben, sie schenkt auch die Gabe, tote Materie wieder zum Leben zu erwecken. Denkt etwa an die mächtigen Fähigkeiten der tibetischen Dalai-Lamas, an die geheimen Kräfte der Drachenkönige, deren Ruf bis nach Europa drang und immer wieder in den letzten tausend Jahren Forscher auf das Dach der Welt lockte. Friedrich erfuhr von der roten Pille durch Oderich von Portenau, der das kaiserliche Geheimnis aus China nach Europa brachte. Und ab diesem Zeitpunkt wurde Friedrich ein Getriebener, ein Christophorus, den die Last des Geheimnisses immer schwerer niederdrückte. Nicht zuletzt deshalb ließ er sich in der Grazer Schlosskirche als riesiger Christophorus darstellen – mit dem Herzogshut und nicht mit der Kaiserkrone, weil das zu verräterisch und offensichtlich gewesen wäre.«
»Du hast Recht, er war wirklich genial«, raunte Paul und brachte sein Gesicht so nah wie möglich an die Scheibe der Vitrine. Er betrachtete genauestens jeden einzelnen Stein und versuchte, die Pille zu entdecken.
»Gab es eigentlich jemanden, der alle drei Pillen hatte?«, fragte Valerie leise und schaute Sina neugierig an.
»Ja, einen. Qin Shihuangdi, der erste Kaiser von China, hatte alle drei Pillen und er war es, der ihr Geheimnis vor zweitausend Jahren als Erster entdeckte. Von dort nahm das Wissen seinen Weg nach Europa, das Wissen um die Unbesiegbarkeit, die Unverwundbarkeit und die Unsterblichkeit. Er ließ seine riesige Tonarmee formen, um jederzeit tausende Krieger zur Verfügung zu haben. Er hätte ihnen ja jederzeit Leben einhauchen können und wer weiß? Vielleicht tat er es auch.« Sina schaute die Krone an und die Edelsteine, bewunderte das Symbol absoluter Macht. »Und heute stehen wir drei vor dem Geheimnis des ewigen Lebens. 144 Steine für die Gerechten der Apokalypse und acht Ecken für das himmlische Jerusalem, dem Königreich der Ewigkeit. Wie heißt es so richtig auf der Reichskrone? ›Me reges regnant – durch mich herrschen die Könige.‹ Wer Herr über Leben und Tod ist, der regiert wirklich.«
Paul kniete inzwischen vor der Vitrine, um die Steine in Augenhöhe besser betrachten zu können.
Der Museumswächter trat nervös von einem Bein auf das andere.
»Ich glaube, ich hab sie gefunden«, flüsterte der Reporter schließlich und zeigte auf den Rubin in der Mitte der Stirnplatte. In dem fast undurchsichtigen, unregelmäßigen Edelstein konnte man in der Mitte eine dunklere Stelle
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