Ewig
wenn ich das richtig verstehe«, meinte er und Valerie nickte.
»Ja, aber es gibt noch immer ihren Stellvertreter, Bischof Kohout, dem ich zwar noch nie begegnet bin, der aber Stoff für Legenden zu sein scheint. Oded Shapiro hat mir ein Foto von ihm gezeigt, auf dem er einen Tarnanzug der Marines trägt und mit einem Sturmgewehr schießt. In Chemnitz muss er es gewesen sein, der die Aktion geleitet hat und wäre ich nicht gewesen, dann hätte er Erfolg gehabt. Wagner und Sina wären tot und längst begraben, die Chinesen hätten wenig dagegen ausrichten können. Gavint war ihr stärkstes Eisen im Feuer und der ist seit gestern ebenfalls schon Geschichte.«
»Und General Li Feng?«, fragte der Botschafter und machte sich eine Notiz.
»Ein Karrierist, der bisher wenig Erfolge zu verzeichnen hat. Nach Geheimdienstberichten misstrauen ihm Armee und ZK. Trotzdem wird ihnen nun keine Wahl bleiben, jetzt wo Gavint tot ist. Aber er hat weder das Format noch die Weitsicht.« Valerie schüttelte den Kopf. Sie dachte plötzlich an das Gespräch mit ihrem Großvater und musste schlucken.
»Wagner und Sina haben alle Rätsel Friedrichs gelöst. Die schwarze Pille von Corvinus gibt es seit mehr als fünfhundert Jahren nicht mehr und niemand hat je in seinen Unterlagen eine Anleitung gefunden, wie sie herzustellen ist. Die weiße Pille hatte Heydrich und sie sollte die Wunderwaffe der Deutschen werden, wie aus den Unterlagen hervorgeht, die Eddy aus dem Safe der Tempelherren mitnahm und Professor Sina übergab. Das haben 1942 die Tempelherren verhindert und aus Heydrichs persönlichem Safe auch die Aufzeichnungen und Analysen der verschiedenen Institute und Labors entwendet und vernichtet. Bleibt nur mehr eine Pille, die wichtigste, die kostbarste: Die rote Pille, die Friedrich hatte und von der wir nicht wissen, ob er sie jemals verwendet hat oder nicht. Wagner und Sina behaupten, den Platz zu kennen, an dem sie versteckt ist. Heute Abend wollen sie es mir beweisen.« Valerie schwieg und beschloss instinktiv, nichts von der Schatzkammer zu sagen.
Der Botschafter schaute sie durchdringend an. »Glauben Sie wirklich, dass es die rote Pille noch gibt?«, fragte er und legte den Kugelschreiber aus der Hand. Neugierig lehnte er sich vor und wartete auf die Antwort Valeries.
»Ich weiß es nicht, Exzellenz«, erwiderte Goldmann, »aber ich werde es Ihnen spätestens morgen früh sagen können.«
Der Botschafter nickte und stellte eine abschließende Frage: »Rufen Sie Oded Shapiro an und berichten ihm?«
Valerie stand auf, trat an den Schreibtisch und schaute auf den Botschafter hinunter. »Exzellenz, ich glaube das können Sie ebenso gut und das haben Sie doch in den letzten Tagen immer wieder getan. Täusche ich mich, oder hat nicht Oded Shapiro Sie als zweite Linie aufgestellt? Waren es nicht Sie, der einen gewissen Professor Klein aus Dresden hat kommen lassen und der neben ihm gesessen ist, als er mit Professor Sina telefoniert hat? Waren es nicht Sie, der den E-Bus nach Klosterneuburg gebracht hat und die Überwachungskameras angezapft hat? Wollten nicht Sie damit persönlichen Druck auf Professor Sina ausüben, indem Sie jemanden ins Boot geholt haben, der ihn von früher her kannte, einen Klassenkameraden zum Beispiel?« Valerie sah an den Augen des Botschafters, dass sie genau ins Schwarze getroffen hatte.
»Und nebenbei haben Sie Sina auch noch ein paar Hinweise zugespielt, damit er bei der Stange blieb und sich womöglich vom Angriff der Tempelherren am Vorabend nicht entmutigen ließ? Oded Shapiro baute auf zwei Ebenen, um ans Ziel zu kommen. Er brauchte die Frau, die aussah wie Clara Sina, um an die beiden heranzukommen und sich in ihr Vertrauen zu schleichen. Und dann war er sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob das funktionieren würde und er beschloss, die zweite psychologische Karte zu spielen, ein Sicherheitsnetz zu spannen. Dieses Netz waren Sie, habe ich Recht?«
Der Botschafter sah Valerie lange an. Dann wandte er sich wieder den Glückwunschkarten zu und meinte bestimmt: »Geben Sie mir morgen früh Bescheid, ob es die rote Pille gibt und wo sie sich befindet. Alles andere ist dann nicht mehr Ihre Aufgabe.«
Schatzkammer, Wiener Hofburg/Österreich
D ie achteckige Krone der Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches lag auf dunkelrotem Samt in einem besonders gesicherten und klimatisierten Raum der Wiener Schatzkammer. Sie glänzte geheimnisvoll und märchenhaft im Licht der kleinen, starken
Weitere Kostenlose Bücher