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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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nicht ändern, auch nach seiner Pensionierung.
    Als ihm die Bedienung, die wie immer unter Strom stand und von Tisch zu Tisch eilte, sein Bier hinstellte, entschloss sich Berner zu einem Fiakergulasch. Ein Lehrling der nebenan liegenden Bäckerei Prindl brachte ein großes Backblech mit frischen Krapfen herein. In den zwanziger Jahren war die heutige Backstube das »Mathilden-Kino« gewesen, das jedoch die Rezession nicht überlebt hatte.
    Berner fühlte, wie die Anspannung von ihm wich und er sogar das Bild des blonden Engels in den Hintergrund verbannen konnte. Morgen würde er noch der Familie die traurige Nachricht vom Tod ihrer Tochter überbringen, diese letzte offizielle Geste wollte er sich nicht nehmen lassen. Er spürte, er war es dem toten Mädchen unter der Plane schuldig.
    Das Glas Bier war halb leer und die Kellnerin brachte gerade das dampfende Gulasch, als sein Handy klingelte. Der Kampf »abheben und später essen« oder »gleich essen und abwimmeln« war kurz, aber schmerzhaft. Schließlich hob Berner ab. Es war der junge, übereifrige Leiter der Spurensicherung, dem die frühe Stunde noch immer nicht den enthusiastischen Unterton geraubt hatte. Der Kommissar seufzte und kam sich wieder alt vor.
    »Herr Kommissar, schön, dass ich Sie noch erreiche.« Berner grunzte undefinierbar und unverbindlich. Eigentlich ging ihn das offiziell alles ja gar nichts mehr an, aber der junge eifrige Kollege wusste nichts davon. Also entschied sich Berner, ihm zuzuhören.
    Der Blick auf sein Gulasch prägte seine nächste Bemerkung: »Machen Sie es kurz.« Aber sein Anrufer dachte gar nicht daran. Erst berichtete er über die zahllosen Fingerabdrücke am Geländer der Plattform, dann über die Kleidung der Toten und erst als Berner ein »gibt es etwas Konkretes« einwarf, kam er zur Sache.
    »Ja, klar, Herr Kommissar, ich wollte Ihnen nur sagen, dass wir keine Fingerabdrücke im Gang in der Wand der Karlskirche gefunden haben, die Fußabdrücke sind verwischt und ebenfalls nicht verwertbar.« Der junge Beamte zögerte.
    Berner beherrschte sich, sagte nichts und wartete.
    Nach einer Weile setzte der Leiter der Spurensicherung fort: »Aber wir haben etwas Seltsames im Mund des Mädchens gefunden. Zwei Bällchen aus Rosopsida, genauer gesagt der Unterklasse Rosidae.«
    Die darauffolgende Stille in der Leitung brachte Berner aus der Fassung. »Ich bin kein Botaniker, kein Chemiker und wenn ich nicht zur Polizei gegangen wäre, dann würde ich heute Jumbo-Jets fliegen. Also würden Sie die Güte haben und mit mir in verständlichen Worten reden, so dass ein durchschnittlich intelligenter Polizist wie ich auch versteht, was Sie meinen?« Berner war lauter geworden als beabsichtigt. Die beiden elegant angezogenen Paare vom anderen Tisch blickten herüber und tuschelten. Berner sah sehnsüchtig sein Gulasch an, das zu dampfen aufgehört hatte.
    »Baumwolle. Es ist Baumwolle«, sagte der Leiter der Spurensicherung entschuldigend und Berner verstand und verstand doch wieder einmal gar nichts mehr. Das Schweigen kroch dahin und Berner schielte auf sein Gulasch. »Noch was?«, fragte er.
    »Sie bearbeiten doch auch den Fall Mertens, nicht wahr?« Berner hütete sich, mehr als ein unverbindliches »Mhpff« zu erwidern. Der junge Beamte wertete es als Zustimmung.
    »Die Gerichtsmedizin lässt Ihnen ausrichten, es war kein Selbstmord, sie haben Würgemale unter dem Strick gefunden, geschickt versteckt, aber nicht geschickt genug.« Verlangte er jetzt Lob, fragte sich der Kommissar und meinte nur kurz: »Danke, das habe ich erwartet.« Das breite Lächeln seines Gesprächspartners brandete geradezu durch die Leitung.
    Berner legte auf und betrachtete unglücklich sein Gulasch. Er zog den Teller zu sich und wollte gerade anfangen zu essen, als ihm der volle Teller unter dem Besteck weggezogen wurde und ein neues, dampfendes Fiakergulasch hingestellt wurde.
    »Sie werden doch kein kaltes Gulasch essen, Herr Kommissar, oder?«, fragte ihn der Kellner erstaunt und stellte noch unaufgefordert ein frisches Bier neben den Teller.
    Berner liebte dieses Lokal.
Burg Grub, Waldviertel/Österreich
    F riedrich beugte sich über den großen Tisch vor dem Kamin. Er sah genau so aus, wie Wagner ihn sich vorgestellt hatte, hochgewachsen, hager und würdevoll, mit einer geheimnisvollen Aura umgeben, die ihn unnahbar machte. Seine charakteristische Hakennase und das schmale Gesicht wurden von den flackernden Flammen des Feuers erleuchtet und seine

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