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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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dunklen Augen funkelten. Der Kaiser trug einen weiten, schwarzen Umhang, der an den Umschlägen rot eingefasst war. Er schien das Licht zu schlucken.
    Mit seinen knochigen Händen strich der Kaiser auf der Tischplatte eine Karte glatt, die sich immer wieder einrollen wollte. Schließlich holte er die Statue eines silbernen Engels mit einer Lanze hervor und beschwerte damit ein Eck des alten Pergaments. Auf die andere Seite legte er ein Buch. Wagner reckte den Hals und bemühte sich, die Zeichnung auf der Karte zu erkennen, aber es gelang ihm nicht, so sehr er sich auch anstrengte. Die Flammen ließen die Striche und Buchstaben tanzen und narrten ihn.
    Friedrich nahm eine Feder und tauchte sie in ein kleines Tintenfass, das neben der Karte stand, dann begann er mit einem kratzenden Geräusch zu schreiben. Erst langsam, dann immer schneller. Als er schließlich die Feder wieder eintauchen musste, schaute er Wagner durchdringend an und seine Stimme war volltönend und nicht die eines alten Mannes, als er sprach.
    »Alle halten mich für geizig und schwach, aber sie täuschen sich. Ich habe mehr Reichtum als sie alle zusammen. Ich weiß, ich bin als konservativ verschrien, aber ich bewahre und erhalte und forsche unermüdlich, während andere Kriege führen. Irgendwann werden sie es verstehen, wenn sie tiefer gegraben haben, als das Auge sieht, wenn sie weiter vorgedrungen sind, als nur an der Oberfläche gescharrt wie die Hühner auf dem Mist.«
    Dann schrieb Friedrich weiter und das Geräusch der kratzenden Feder schien Wagner übernatürlich laut. Der Kaiser sah nochmals auf und Wagner direkt in die Augen, zugleich durch ihn durch und doch tief in ihn hinein.
    »Sie sagen, ich sei misstrauisch, aber wenn sie wüssten, was ich weiß, dann wären sie es auch. Ich habe diesem Wissen mein Leben gewidmet, habe die weisesten Männer um mich geschart und Astrologie, Astronomie und Alchemie studiert. Was ist das Regieren in den niederen Sphären, wenn Engel auf mich warten? Alle rätseln über mein Durchhaltevermögen und meine lange Regierungszeit. Wenn sie wüssten.« Friedrich lachte ein trockenes Lachen, das Wagner Schauer über den Rücken jagte.
    »Warum schauen sie nicht genauer hin? Warum lesen sie nicht, was ich geschrieben habe? Warum nehmen sie nicht den Schlüssel, den ich ihnen hinterlassen habe, lernen zu sehen und zu verstehen? Weil sie dumm sind und mich unterschätzen, wie schon meine Zeitgenossen.« Er hob den Finger und Wagner wusste nicht, ob er ihm drohte oder seine Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes lenken wollte.
    »Aber das Geheimnis ist fürchterlich, mit seiner Entdeckung kommt das Ende der Welt. Denn niemals sollst du Engel erschaffen, wenn du nicht über sie herrschen kannst.« Dann strich Friedrich mit der Hand zärtlich über die silberne Figur, die im Schein des Feuers leuchtete und der kleine Engel erwachte plötzlich zum Leben, flog auf und direkt auf Wagner zu, so, als wollte er ihm mit seiner Lanze ein Auge ausstechen. Wagner wehrte den Engel ab, schlug nach ihm und versuchte auszuweichen, doch der Engel wurde immer größer und größer –
    Wagner erwachte schweißgebadet in seinem Bett im Wohnturm der Ruine Grub. Friedrich war verschwunden und der Engel mit ihm. Nur Tschak, der auf seinen Beinen lag, hob verschlafen den Kopf und schaute ihn vorwurfsvoll an.
    Es war kalt im Zimmer und Wagner zitterte am ganzen Körper. Der seltsame Traum war ihm noch immer so präsent, dass er glaubte, Friedrich wirklich gesehen und gehört zu haben. Er schüttelte benommen den Kopf und schaute auf seine Armbanduhr. Kurz nach sechs. Er legte sich wieder hin und zog die Decke enger um sich. Zwei Stunden mehr Schlaf würden ihm guttun.
    Doch Paul Wagner konnte nicht einschlafen, er wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere, eine seltsame Anspannung hatte sich in seinem Bauch eingenistet und ging nicht mehr weg. Es ist doch nur ein Traum, beschwichtigte er sich, aber vor seinen geschlossenen Augen sah er deutlich das Gesicht von Friedrich und die silberne, drohende Figur des Engels, der so gar nicht zu dem Bild des sanften und friedlichen Engels passen wollte, das er bisher immer hatte. Der Cherub aus seinem Traum hatte ihn töten wollen, nachdem Friedrich ihn zum Leben erweckt hatte. War es ein Racheengel? Einer der gefallenen Söhne des Himmels, aus dem Paradies gewiesen und verdammt dazu, in der Zwischenwelt sein Dasein zu fristen?
    Paul Wagner drehte sich auf die andere Seite und rückte das

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