Ewig
Hinweis, den Friedrich uns hinterlassen hat, dachte sich Wagner aufgeregt und bedankte sich bei dem Pfarrer für dessen Zeit und Mühe.
»Ach, gar keine Ursache, wenn Sie den Altar sehen wollen, rufen Sie mich an. Das Museum ist heute geschlossen, aber sonst – jederzeit.« Mit diesen Worten gab ihnen der junge Pfarrer seine Telefonnummer und schritt dann schnell davon.
Sie verließen die Kirche und der bisher so schweigsame Sina taute sichtbar auf. »Den Schottenmeisteraltar hatte ich ganz vergessen, eines der interessantesten Stücke aus der Zeit Friedrichs. Das ist ohne Zweifel der erste Hinweis, den er uns hinterlassen hat. Es sieht so aus, als sei der Kreis um die Ruprechtskirche doch kein Zufall. Es steckt etwas dahinter.« Es klang bewundernd und auch etwas überrascht.
Kommissar Berner trat aus dem eleganten Palais hinter dem Parlament, bedrückt und erleichtert zugleich. Bedrückt, weil er der Familie der jungen Studentin auf ihr Drängen hin die Einzelheiten ihres Todes zumindest in groben Zügen schildern hatte müssen, erleichtert, weil er damit zum letzten Mal in seiner Karriere diese unangenehme Aufgabe übernommen und erledigt hatte. Berner hatte, so grobschlächtig und griesgrämig er nach außen hin auch war, immer darunter gelitten, diese letzte Nachricht den Hinterbliebenen zu überbringen. Er kam sich vor wie ein Kurier der Hoffnungslosigkeit. Diese letzte offizielle Amtshandlung seiner Karriere war um nichts leichter gewesen als die übrigen davor. An Katastrophen konnte er sich nicht gewöhnen, auch nicht nach dreißig Dienstjahren.
Er hatte nicht geschlafen, war nach dem Nachtcafé ziellos durch das erwachende Wien gewandert und fuhr sich nun fahrig mit der Hand über das Gesicht. Ich sollte nach Hause gehen, mich duschen, umziehen und dann meinen Schreibtisch räumen, dachte er sich. Doch dann überlegte er es sich anders, zog sein Handy aus der Manteltasche und wählte die Nummer von Paul Wagner.
»Kommissar Berner, haben Sie gerochen, dass ich in der Stadt bin?«, fragte der Reporter, nachdem er abgehoben hatte.
»Wieso, ich rieche keinen strengen Geruch … und den Kommissar können Sie sich ab heute sparen, Wagner«, brummelte Berner. Die überraschte Stille war greifbar.
»Was meinen Sie damit?«, fragte Wagner langsam und vorsichtig mit einem Seitenblick zu Sina, der ihn fragend ansah.
»Dass ich meine Pension eingereicht habe und ab sofort beurlaubt bin«, grinste Berner, der Wagners Verwirrung genoss.
»Höre ich das richtig, dass Sie dabei grinsen, Kommissar, ähh Verzeihung, Herr Berner? Das wäre das erste Mal …« Paul Wagner bremste sich rechtzeitig.
»Schon gut, Wagner, die Zeiten ändern sich, aber glauben Sie ja nicht, dass sie jetzt ruhiger werden. Wo waren Sie gestern Abend? Ich habe Sie in der Karlskirche vermisst.«
Wagner stöhnte. »Noch eine Kirche …was war dort wieder los?«
»Hören Sie kein Radio? Für die Zeitungen war es schon zu spät, aber im Rundfunk ist der Fall die erste Meldung seit fünf Uhr früh auf allen Sendern.«
»Ich war in der Einschicht bei Sina«, antwortete Wagner entschuldigend.
»Dann wird es Zeit, dass Sie ins Leben zurückkehren und der seltsame Kauz Sie nicht zum Co-Einsiedler macht«, stellte Berner trocken fest. »Es gab gestern einen perversen, geradezu bizarren Mord in der Karlskirche und ich würde Ihre Hilfe brauchen, besser gesagt, die von Professor Sina.« Es klang ehrlich und Wagner wunderte sich immer mehr.
»Ich dachte, Sie sind gerade in Pension gegangen, Komm …ach was, Sie werden für mich immer Kommissar Berner bleiben«, stellte Wagner nachdrücklich fest. »Ermitteln Sie jetzt oder nicht?«
»Man hat mir diesen Fall und den in der Ruprechtskirche entzogen.« Berner wurde hörbar ernst und Wagner dachte kurz nach.
»Wir gehen gerade durch die Innenstadt. Wenn Sie Zeit haben und in der Nähe sind, dann treffen wir uns in fünfzehn Minuten im ›Kleinen Café‹ am Franziskaner Platz.«
»Ich habe jede Menge Zeit, Wagner, ich bin ja in Pension, schon vergessen?« Berner klang wieder zu vergnügt für Wagner. Er hatte irgendetwas vor.
»Und dieser Mord?«
»Ich erzähle Ihnen alles, wenn wir uns treffen.« Berner legte auf, bevor Wagner weiter nachhaken konnte.
»Kommissar Berner in Pension?« Sina war genauso überrascht wie Wagner ein paar Minuten zuvor.
»Ja, und er hat sogar gelacht …« Wagner schüttelte ungläubig den Kopf.
»Machen wir uns auf den Weg zum ›Kleinen Café‹, dann wissen wir
Weitere Kostenlose Bücher