Ewig
nicht den blanken Arsch entgegengereckt und ihm nicht wie die andren den Schwanz gelutscht!«
Er kicherte irre und lauschte. Wieder nichts. Griesgrämig ließ er sich in eine Ecke auf den Boden plumpsen.
»Ganz großartig. Ich führe mich auf wie damals als Dreikäsehoch daheim in Albergheria, als ich die Mama so lange genervt habe, bis sie mir endlich eine gescheuert hat. Besser von Mama gedroschen werden als gar nicht beachtet. Ach, Mama. Jetzt komme ich nie mehr nach Sizilien, um dein Grab zu besuchen«, flüsterte Cagliostro und wischte sich mit dem dreckigen Ärmel seines zerschlissenen Hemdes die Tränen aus dem Gesicht.
Zornig über seine Hilflosigkeit rang er sich ein heiseres »He, ihr Arschgesichter, wollt ihr meine Mama sein! … Nein? Auch gut, ihr stinkt mir zu sehr nach Zwiebel und Weihrauch« ab.
Das Bild der Mutter und des Armenviertels von Palermo verblasste in seiner Erinnerung. »Das ist auch ganz gut so«, dachte er sich, »sonst degeneriere ich in dieser Einsamkeit noch vollends zum Kind.«
An die Stelle der Kindheitserinnerungen trat das Bild des milden Fra Rodolfo, der ihn so hingebungsvoll in die Kunst der Kräuterheilkunde eingeführt hatte.
»Giuseppe Balsamico!«, hatte er ausgerufen, »meiner Treu, mein Junge, der Name prädestiniert dich geradezu zum Apotheker!« Aufmerksam hatte ihn der Mönch betrachtet, als er sich ihm vorgestellt hatte, war rund um ihn gegangen, hatte ihm lange in die Augen geschaut. Dann hatte er sein mildes Lächeln gelächelt und ihm väterlich seine Hand auf den Kopf gelegt. Ach, wäre er nur bei den Fatebenefratelli geblieben, hätte er sich nur nie der Alchemie verschrieben. Was wäre dann wohl aus ihm geworden? Vielleicht gar ein Medicus? Jedenfalls nicht der schillernde Graf Alessandro Cagliostro, der die schöne Lorenza geheiratet hatte … Der Gedanke an sie ließ ihn wollüstig erschauern. Nein, das wäre kein guter Tausch gewesen, so manchen Kniff hatte er sich von ihr abschauen können, von dem vermaledeiten Höllenweib. Aufregend und geil war sie gewesen wie ein Succubus, und jetzt ist sie unfreiwillig eine Nonne, die Arme. Was für ein Richterspruch, was für ein Verlust für die Welt …
Zurück nach Caltagirone zu Frau Rodolfo … Oft und gerne hatte der junge Giuseppe Balsamico Fra Rodolfos Erzählung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn gelauscht. Vom reichen Mann zum Schweinehirten und wieder zurück. Ob es für ihn auch so einen gnädigen Vater gab, der ihn mit offenen Armen zurück an seine Festtafel bat? In so manchem Gefängnis war er schon eingesessen, sogar in der Bastille, aus der es normalerweise kein Entrinnen mehr gab. Aber er, Graf Cagliostro, hatte auch das geschafft. Ja, das war schon eine Sache gewesen, wie die De La Mottes und er dem trotteligen Kardinal Louis de Rohan das Halsband für Marie Antoinette aufgeschwatzt hatten. Cagliostro lachte lauthals bei dem Gedanken. Und dann hatten sie ihm noch eine Dirne untergejubelt, eine noch blödere Hure als die Königin. Selbst schuld, dachte er sich, hätte er die Autrichienne nicht bei ihrer Mutter Maria Theresia in Wien wegen ihrer Prunksucht angeschwärzt.
Im Nachhinein betrachtet war das Ganze allerdings schon eigenartig gewesen. Kaum wollte die junge Verschwenderin doch einmal sparen, das Collier von Böhmer und Bassenge zurückweisen und darauf verzichten, fand sich gleich mühelos ein zölibatärer Purpurrock, der es ihr, blind vor brünstiger Liebe, verehren wollte. »Völlig absurd«, murmelte Cagliostro in seinen Bart. Oh, dieser Bart, wie er ihn hasste, dieses Zeichen von Vernachlässigung, dieses Stigma des Kerkers. Ja, der König und die Königin waren ziemlich erzürnt gewesen wegen des Skandals, den dieser beschissene Klunker ausgelöst hatte. Der Pfaffe im Purpurrock rottete seitdem in irgendeinem Kloster vor sich hin und konnte den Rest seines Lebens betend verbringen. Und Marie Antoinette? Cagliostro grinste. »Die braucht jetzt kein Halsband mehr, trägt statt einem diamantenen ein blutrotes, das arme Ding.«
Zum Glück konnte er, Graf Cagliostro, der Einzigartige, der Geniale, damals beweisen, dass er nichts damit zu tun hatte. Der Gefangene klopfte sich auf die Schenkel aus Freude über das gelungene Bubenstück. Er hatte alle spüren lassen, dass es besser wäre, wenn er nichts mit der Affäre zu schaffen gehabt hätte.
»Lassen Majestät mich hinrichten«, hatte er schwadroniert, »werden Ihro Gnaden nichts von dem großen Geheimnis erfahren, das mir mein
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