Ewig
schwarz umrahmten Glastür führten. Wagner schaute sich um und dachte sich, dass hier nichts auf die berühmte Gemäldesammlung des Stiftes hinwies. Sina folgte seinem Freund und dem Priester die Stufen hinauf, während er mit seiner Hand silberne Schwaden Weihrauchs zerteilte, die in einem kleinen silbernen Dreifuß auf einem Tischchen verbrannt wurden.
Eine weitere Stiege höher befanden sich die Schauräume, dunkel, aber keineswegs bedrückend. Was sofort ins Auge fiel, waren die Parkettböden, in kunstvollen, mehrfarbigen Mustern verlegt. Da waren Sterne, Quader und Rauten aus verschiedenen Hölzern.
Die Wände der Ausstellungsräume waren dicht mit kleinformatigen Ölgemälden behängt, historische Tische und Schränke wurden ebenso gezeigt wie alte gediegene Polstermöbel, die man als Besucher sogar benutzen durfte.
Im ersten, dem grünen Zimmer, wunderte sich Wagner kurz über die präparierten Papageien und den Auerhahn in einem Vitrinenschrank. Sina wiederum bedauerte es, sich aus Zeitmangel nicht genauer den Bildern widmen zu können, besonders die Intarsien hatten es ihm angetan. Er fühlte sich mehr in die Wunderkammer oder den Salon eines Kirchenfürsten denn in ein Klostermuseum versetzt.
Ohne innezuhalten, durchquerten sie rasch die Ausstellung auf dem Weg zu ihrem Ziel, dem Schottenmeisteraltar – vorbei an Veduten, Heiligenbildern, Porträts und Globen aller Epochen seit Bestehen des Stiftes.
Schließlich erreichten sie ganz zuletzt einen altrosa tapezierten Raum. Zunächst sahen sie ihn nur von der Seite, er schien das gesamte Zimmer einzunehmen. Ockerfarbene Kordeln, im Rechteck aufgestellt, schufen einen Freiraum und trennten das kostbare Stück von den Besuchern, bildeten einen Sicherheitskordon.
Der weltberühmte Altar des Schottenmeisters lag im Zwielicht, seine Tafeln leuchteten im Licht der kleinen Scheinwerfer. Der junge Priester brach das ehrfürchtige Schweigen. Das Museum im Schottenstift mit der größten, vierzehntausend Bände umfassenden Privatbibliothek in Wien war vor drei Jahren renoviert worden und der Geistliche, der Sina und Wagner den Altar des Schottenmeisters zeigte, war hörbar stolz und mit Begeisterung bei der Sache. Schnell hatte er nach den erste Ausstellungsräumen gemerkt, dass ihr wirkliches Interesse nicht den Gemälden, Plänen und den liturgischen Gewändern, sondern dem unter Friedrich entstandenen spätgotischen Altar-Meisterwerk galt.
»Der Altar ist eine Ölmalerei auf Eichenholz und seine Entstehung wird auf 1469 datiert, der einzigen Jahreszahl, die auf einer der Tafeln zu finden ist«, führte er aus, als alle drei vor den Tafeln des Kunstwerks standen. »Und zwar ist es die Werktagseite in der Tafel, die Jesus Einzug in Jerusalem zeigt. Wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie die Zahl auf dem Stadttor« und wies mit dem Finger darauf.
»Der Maler ist bis heute nicht bekannt, er wird der niederländischen Schule zugerechnet. Wir wissen, dass der Altar in der gotischen Kirche aufgestellt war, bevor ihn jemand irgendwann zersägte.« Er sah das Entsetzen auf dem Gesicht Sinas und fügte hinzu: »Das ging so weit, dass einzelne Tafeln zur Dekoration in den verschiedenen Büros des Stiftes gehangen sind.« Der junge Priester hatte die Hände vor der Brust gefaltet und betrachtete mit Wagner und Sina den Altar, als sähe er ihn das erste Mal. Dann machte er die beiden auf eine einzelne Tafel aufmerksam, die Maria und Josef zeigte.
»Das Besondere an diesem Altar ist die erste topografisch richtige Darstellung des mittelalterlichen Wiens. Die Flucht aus Ägypten wurde nach Österreich, genauer gesagt, nach Wien transponiert und die Heilige Familie – Maria mit dem Kind und Josef – flüchtet auf dem Esel in Richtung Süden. Wenn Sie genau hinschauen, dann ist Wien mit dem Kahlenberg und dem Leopoldsberg im Hintergrund ganz eindeutig zu erkennen, ein mittelalterliches Wien mit Stadtmauern und Toren. Es ist die erste realistische Abbildung der Stadt, die wir kennen.« Der Priester deutete auf eine weitere Tafel.
»Auch hier oben können Sie sehen, dass die Heimsuchung Marias in die Wiener Spiegelgasse verlegt wurde. Ganz deutlich erkennt man die beiden Heidentürme des Stephansdoms und sein buntgezacktes Dach, links davon die Turmspitze der gotischen Peterskirche beim Graben.«
Paul Wagner war fasziniert. Friedrich hatte ihnen auf diesem Altar den Weg gezeigt, er ließ die Heilige Familie vorangehen und sie sollten ihr folgen. Der Kaiser hatte vor
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