Ewig
gingen in die Sakristei, schauten auf die Empore und sogar in den Beichtstuhl. Nichts. Das Gotteshaus war leer, der junge Priester war verschwunden.
Mossad-Hauptquartier, Tel Aviv/Israel
U nd das meinen Sie wirklich ernst?« Valerie war völlig verblüfft, nachdem Shapiro seine Ausführungen beendet hatte. Zuerst hatte sie gedacht, in einen Science-Fiction-Film geraten zu sein, dann in einen Agententhriller und schließlich hatte sie begriffen, dass alles, was Shapiro schilderte, die Realität war. Nun saß sie gedankenverloren in ihrem Sessel und schaute den Geheimdienstchef ratlos an. Zugleich spürte sie einen ersten Funken Terror, der sich in ihren Gedanken breit machte und sich langsam wie an einer Lunte entlang zischelnd den Weg in ihr Bewusstsein fraß.
»Das …das ist so …unmöglich …« Ihr fehlten die Worte und der ernste Blick Shapiros machte es auch nicht leichter. Sie konnte nicht ruhig sitzen bleiben, sie musste aufstehen und ans Fenster gehen, irgendetwas machen, nur nicht still sitzen und das Unglaubliche über sich hereinbrechen lassen.
Shapiro spielte mit seinem Kugelschreiber und betrachtete den Stift, der wie von selbst um seine Finger zu rotieren schien.
»Glauben Sie mir, Major Goldmann, ich würde am liebsten gar nicht darüber nachdenken, ob es möglich sein könnte …« Er betonte das letzte Wort mit Nachdruck. »Ich habe in meinem Leben viel gesehen und ich habe vieles für unmöglich gehalten, was sich später als Wirklichkeit herausgestellt hat. Ich habe daraus gelernt und lerne noch immer jeden Tag, ich versuche zu verstehen und ich laufe oft der Zeit nach, wie in einem hoffnungslosen Wettlauf, für den wir uns nicht qualifiziert haben.«
Shapiro stand auf und stellte sich neben Valerie ans Fenster, die Hände in den Hosentaschen. Wer ihn so gesehen hätte, der wäre nie auf den Gedanken gekommen, einen der wichtigsten Männer des Mossad vor sich zu haben. Er sah aus wie ein gemütlicher Familienvater, ein kleiner Bauch begann sich unter seinem Hemd abzuzeichnen und seine Haare wurden grau an den Schläfen und lichter an den Seiten. Aber wer Shapiro näher kannte, seinen energischen Ausdruck um den Mund richtig deuten konnte, der verglich ihn mit einem Mungo, jenem kleinen Tier, das die gefähr-lichsten Schlangen tötete und keinem Kampf aus dem Wege ging.
Beide standen eine Zeitlang wortlos nebeneinander und schauten aus dem Fenster auf ein graues, wolkenverhangenes Tel Aviv. Wie Ameisen liefen die Menschen aufgescheucht über die Straße und soeben fuhr ein Konvoi aus Staatslimousinen mit Standarte in den Hof des Armeeministeriums gegenüber ein. Shapiro legte die flache Hand ans Fenster.
»Als ich die ersten Meldungen bekam, war ich skeptisch.« Er sprach leise und konzentriert. »Nein, mehr als das. Ich fand es lächerlich, überhaupt darüber nachzudenken. Da ging es um einen mittelalterlichen österreichischen Kaiser, sein Geheimnis und einem Orden, der es fünfhundert Jahre lang verteidigt haben sollte.« Shapiro schüttelte den Kopf. »Ich fragte unseren Informanten, was um Gottes willen das uns angehen sollte? Ich winkte ab und ließ unsere Botschaft wissen, dass sie sich vielleicht um aktuellere Dinge sorgen sollte. Wir haben ja einen ausreichenden Fundus an Problemen, aus dem wir schöpfen können, wie jeder weiß«, meinte er lakonisch. Goldmann nickte stumm.
»Dann kam eine lange Nachricht aus China, von einem unserer Agenten in Beijing. Es ging um den ersten chinesischen Kaiser vor zweitausend Jahren, sein Grab, seine Tonarmee, seinen Tod und den Grabhügel. Da dachte ich mir, dagegen war der österreichische Regent ja geradezu jung und aktuell.« Shapiro grinste.
»Aber jetzt kamen Ereignisse dazu, die mich aufhorchen ließen. Sehr reale Ereignisse. Ein chinesischer Militäreinsatz in Tibet, der dem geheimen Wissen der Drachenkönige galt. Als Nächstes ein spektakulärer Mord mit dem inzwischen weltbekannten Umwelt-Supergau in Portugal, dann zwei bizarre Verbrechen in Wiener Kirchen. Irgendjemand wusste scheinbar mehr, legte es darauf an, dem großen Geheimnis näher zu kommen, mobilisierte sehr subtil die Personen, die er dazu brauchte. Da schrillten bei mir die Alarmglocken, das waren keine Hirngespinste mehr.« Shapiro tippte mit seinem Zeigefinger auf die Akten, die vor ihm lagen und auf denen in großen roten Buchstaben »Top Secret« stand. »Aber daran glauben? An die ganze Geschichte glauben, an dieses phantastische Geheimnis, an dieses größte
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