Ewig
wurde wieder ernst.
Valerie ärgerte sich über seine unerschütterliche Selbstsicherheit.
»Theater spielen Sie auch, Major Goldmann?« Shapiro blätterte in der Akte und sah sich Szenenfotos unter einer Besprechung von Shakespeares »Was ihr wollt« in der »Haaretz«, der größten Tageszeitung von Tel Aviv, an. Er deutete mit dem Finger auf die Bilder, die Valerie in der Verkleidung eines Pagen der Renaissance zeigte.
»Sie wissen bestimmt, dass Shakespeare nach Matteo Bandellos Novelle ›Wie ein Ei dem anderen‹ gearbeitet hatte, nicht wahr?«, fragte er scheinbar beiläufig.
»Wenn Sie es wissen, warum fragen Sie dann noch?«, entgegnete Valerie und dachte an die wunderbaren Nächte unter Sternen im Freilufttheater, wo sie im letzten Sommer mit der Interpretation der Viola sogar die Kritiker begeistert hatten.
Shapiro schlug die Akte zu. »So, Major Goldmann, und jetzt möchte ich Ihre Entscheidung. Das Abenteuer in Österreich oder den Staub im Wadi al-Maleh?« Der Geheimdienstchef hob die Hand und stoppte Valerie, die zur Antwort ansetzte. »Nur eines vorweg. Es wird niemanden geben, dem Sie diese Geschichte jemals erzählen können. Sie wird nirgends erwähnt werden, sie wird nie stattgefunden haben. Und glauben würde sie Ihnen sowieso kein Mensch«, schloss Shapiro.
Valerie nickte. Operationen des Mossad gelangten nicht an die Öffentlichkeit, das gehörte zur Taktik des Instituts. Sie dachte kurz nach und legte schließlich beide Hände auf die Tischplatte vor Shapiro, stützte sich auf und schaute dem Geheimdienstchef in die Augen.
»Das Abenteuer in Österreich, vorausgesetzt, ich bekomme Antworten auf meine Fragen.«
Irgendwie wirkte Shapiro erleichtert, dachte sich Valerie. Er nickte zufrieden. »Ich dachte immer, Fragen wären mein Job … Ich weiß nicht viel, aber ich werde mir Mühe geben. Schießen Sie los!«
Schwedenplatz, Wien/Österreich
K ommissar Berner drückte wahllos auf einen der Klingelknöpfe der Gegensprechanlage. Eine keifende Frauenstimme meldete sich.
»Briefträger! Einschreiben für …« Berner suchte nach einem passenden Namen auf den Schildern »… Brandauer!«
»Dann läuten Sie gefälligst beim richtigen Namen«, wetterte die Frau, betätigte aber den Türöffner. Berner stellte schnell seinen Fuß in die Tür und schaute sich um. Grinsend standen Wagner und Sina hinter ihm.
»Perfekt, ich frage mich ja, wo Sie das gelernt haben, Herr Kommissar«, meinte Wagner und klopfte Berner auf die Schulter.
»Von absolut verdorbenen und gewissenlosen Journalisten«, konterte Berner trocken und ging voran die Treppen hoch. Unter dem Dach angekommen betrachteten alle die grüne Wohnungstür, die mit drei Papierstreifen der Polizei versiegelt war. Berner zog einen Schlüssel aus seiner Manteltasche, sperrte auf und drückte die Tür nach innen. Die Siegel zerrissen mit einem hellen Geräusch, das in der Stille des Treppenhauses viel zu laut nachklang.
Wagner war überrascht. »Woher haben Sie die Schlüssel …«
Berner unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Keine Fragen. Ich habe Sie reingebracht wie versprochen. Jetzt sind Sie dran und trödeln Sie nicht rum, wir haben nicht viel Zeit.«
Georg Sina schloss die Wohnungstür hinter sich und blieb im Vorraum stehen. »Wir sollten uns zuerst einmal Gedanken darüber machen, wonach wir suchen. Gibt es einen Computer hier? Wenn nicht, dann etwas Schriftliches, Traditionelles wie ein Notizblock, ein kleines Buch, ein Stapel Blätter oder ein Aktenordner. Allerdings hat der Täter auch danach gesucht und wir wissen nicht, ob er etwas gefunden hat oder nicht. Wir haben zwei Optionen: Wenn er nichts gefunden hat, dann ist es gut versteckt und nicht so groß, dass es ins Auge springt. Wenn er es aber gefunden hat, dann war es im Wohnzimmer und ist jetzt verschwunden.«
»Also können wir das Wohnzimmer vergessen und uns auf die anderen Räume konzentrieren«, stellte Wagner fest und fügte nach einem schnellen Blick in Wohn- und Schlafzimmer hinzu: »Computer gibt es jedenfalls keinen.«
Berner hörte zu und betrachtete die vielen kleinen Bilder im Vorraum der Wohnung. Eine ganze Wand war damit fast von der Decke bis zum Boden vollgehängt. Es mussten knapp hundert sein, von der gerahmten Ansichtskarte bis zum kleinen Ölbild. Zu klein für schriftliche Aufzeichnungen, dachte er sich, wandte sich ab und ging ins Badezimmer. Es war ordentlich aufgeräumt und roch nach Sauberkeit. Berner begann systematisch in alle Kästchen
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