Ewig
gerade seine Jacke vom Haken nehmen wollte, erstarrte mitten in der Bewegung.
Innere Stadt, Wien/Österreich
K ommissar Berner gähnte. Er war müde und wütend. Müde, weil er nicht genug geschlafen hatte, nachdem erst um halb vier Uhr früh die Blaulichtbrigade wieder abgezogen war und wütend, weil er schon lange nicht mehr in den Lauf einer Pistole geschaut und gedacht hatte, das Ende seines Weges sei gekommen. Dieser Verstellungskünstler von Pater hatte ihn nach dem ersten Mord in der Ruprechtskirche an der Nase herumgeführt, unschuldig geschaut und nervös getan. Dabei musste ihm genauso wie seinem Orden sofort klar gewesen sein, was der Mord für ein Zeichen setzen sollte. Aber wahrscheinlich hatte niemand etwas Ähnliches erwartet und der Schreck war gar nicht so gespielt gewesen.
Jetzt war Berner auch klar, warum der junge Priester aus dem Schottenstift direkt zur Ruprechtskirche gelaufen war, schnurstracks zu Pater Johannes. Der Kommissar machte sich in Gedanken eine Notiz. Ein Besuch im Schottenstift stand auf seiner heutigen Tagesordnung. Der junge Priester würde ihm einiges erklären müssen.
Berner dachte an Mertens, den Hobbyforscher, der zu viel herausgefunden hatte. Der Mord an ihm war damit auch geklärt, der alte Mann hatte das Pech gehabt, zu gut recherchiert und dann auch noch Wagner und Sina getroffen zu haben. Das bedeutete sein Ende, die Todesengel waren schon wenig später da. Der Kommissar schüttelte entsetzt den Kopf. Zu viele Engel in diesem Fall, dachte er sich und das blonde Mädchen in der Karlskirche kam ihm in den Sinn. Er sollte wieder einmal seine Tochter anrufen …
Seit zwanzig Minuten suchte Berner nun bereits einen Parkplatz in der völlig zugeparkten Wiener Innenstadt, drehte schon die dritte Runde und das trug auch nicht gerade zur Besserung seiner Laune bei. Schließlich gab er auf und parkte seinen Wagen mit zwei Rädern auf dem Gehsteig in Sichtweite des Bankhauses Scholhammer & Schera und warf entnervt die Tür zu. Er stapfte auf den Eingang der Privatbank zu und tastete dabei nach dem kleinen Schlüssel in seiner Tasche. Die junge blonde Frau am Schalter lächelte ihn erwartungsvoll an.
»Ich möchte zu den Schließfächern«, brummte Berner und zeigte der Angestellten den Schlüssel.
Sie kontrollierte die eingestanzte Nummer und fand auf einer Liste den entsprechenden Eintrag. »Herr Mertens, könnten Sie sich bitte ausweisen?«
»Ich bin nicht Herr Mertens«, erwiderte Berner und legte seinen Polizeiausweis auf den Tisch. Es würde noch einige Tage dauern, bis die Verwaltung das Fehlen des Dokuments bemerken würde. Bis dahin … Seit gestern Nacht hatte es Berner schon ein Dutzend Mal bereut, seine Dienstwaffe abgegeben zu haben. Bei dem Gedanken daran runzelte der Kommissar die Stirn und das Kribbeln in seinem Bauch machte sich wieder bemerkbar. Er war nie ein Freund von Waffen gewesen, hatte sie selten gebraucht, meist lag seine Pistole überhaupt im Büro, aber dieser Fall war anders. In diesem Fall, so zog Berner für sich den Schluss, konnte jeder kleine Fehler der letzte sein. Und er hatte sich entschlossen, keine mehr zu machen. Keine Fehler und keine Kompromisse.
»Oh, Herr Kommissar, darf ich Sie an unsere Geschäftsführung weiterleiten?« Die junge Frau unterbrach seine Gedanken, nahm den Schlüssel und Berner folgte ihr durch zwei Büros bis zum Schreibtisch eines fast kahlköpfigen Mannes im grauen Anzug, der erst den Ausweis und dann Berner betrachtete, während die junge Frau leise in sein Ohr sprach.
Schließlich stand er auf und schüttelte dem Kommissar die Hand. »Herr Kommissar, Magister Nedjelik, schön, Sie wiederzusehen.« Die Überraschung auf Berners Gesicht musste offensichtlich gewesen sein. »Wir haben uns vor mehr als fünfzehn Jahren kennen gelernt, bei dem missglückten Banküberfall in der Bankfiliale am Graben.«
Berner begann sich dunkel zu erinnern und brummte etwas Unverbindliches.
Nedjelik blickte auf den kleinen Schlüssel. »Sie möchten gerne in dieses Schließfach?«
Berner nickte. »Herr Mertens hat mir den Schlüssel gegeben und mich gebeten, den Inhalt sicherzustellen und es wäre nett, wenn Sie mir unbürokratisch helfen könnten.«
Der Bankmanager wiegte den Kopf. »Sie wissen sicher, dass wir eigentlich eine gerichtliche Entscheidung dafür benötigen …«
»Es handelt sich nicht um Wertgegenstände, Magister Nedjelik, es sind Aufzeichnungen, die in einem Mordfall von größter Wichtigkeit sein
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