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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Krankheitserreger könnten da in die Luft gejagt werden?«
    »Eine strategische Biowaffe funktioniert nur dann wie geplant, wenn der Krankheitserreger lediglich eine bestimmte Gruppe von Menschen infiziert. Ich halte es für unwahrscheinlich, wenn auch für möglich, dass es gelungen sein sollte, ein ethnisches Ebola-typisches Virus zu kreieren. Ich gehörte 1991 zu den amerikanisch-britischen Waffenkontrolleuren. Wir besuchten mehrere russische Forschungseinrichtungen. Dabei wurde deutlich, dass sie unter anderem intensiv an der Herstellung eines Ebola-Aerosols arbeiteten. Wir haben zum Beispiel Messgeräte für Aerosolpartikel und große Versuchskammern für Tierversuche gesehen. Steht alles in den Kontrollberichten.«
    Der Vertreter des Militärgeheimdienstes DIA machte zum ersten Mal den Mund auf. »Die Russen – oder besser gesagt auch die Russen – setzten auf die Herstellung von biologischen Waffen, die nur bei bestimmten ethnischen Gruppen wirksam werden. Nachdem in China SARS ausgebrochen war, spekulierte man im Westen über die Möglichkeit, es könnte eventuell eine Biowaffe dahinterstecken. Als Stammvirus für eine solche Waffe Ebola zu nehmen klingt jedoch außergewöhnlich. Andererseits hätte es vor ein paar Tagen auch noch außergewöhnlich geklungen, wenn jemand behauptet hätte, ein Filovirus entwickelt zu haben, das innerhalb weniger Tage tödlich wirke und dessen Opfer der Papst sein würde.«
    »Der Papst war kein Chinese.«
    »Man kann sich auch andere Objekte vorstellen und das Virus entsprechend verändern.«
    »Müssen wir also ernsthaft die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Millionen von Menschen vom selben Virus bedroht sind, mit dem der Papst infiziert worden ist?«
    »Genau das ist zu befürchten.«
     
    42
     
    Etwas störte Timo an der Führerin. Aber er wusste, er war von ihr abhängig. Das Lächeln der Frau hatte etwas Gezwungenes.
    Auf einer Anhöhe blieben sie stehen, um Atem zu schöpfen. Timo wäre gern schneller vorangekommen. Doch die Luft war dünn und feucht. Er musste sich eingestehen, dass die alte Frau wesentlich besser in Form war als er.
    Die Luft war erfüllt von den Geräuschen der Vögel und Säugetiere. Wasser tropfte von den Spitzen der großen Blätter, die Erde roch feucht und fruchtbar. Der Blick über die Landschaft war beeindruckend. Im Westen sah man das Grabenbruchtal von Talengoro; im Osten, nach Tansania hin, die Marungu-Berge; im Norden die Doppelhöhe von Nyezungu und davor den sanft ansteigenden, majestätischen Mwanga. Die Bäume und Sträucher folgten dicht an dicht den weichen Landschaftsformationen. Nur die Ränder des Kraters auf dem Mwanga zeichneten sich unnatürlich scharf ab.
    Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete Timo die Führerin, die mit amüsiertem Funkeln im Blick merkte, wie er schwitzte und wie schwer er atmete. Instinktiv richtete sich Timo auf.
    »Wissen Sie, wie sich die Nyezungus und der Mwanga gebildet haben?«, fragte die Führerin, aber Timo hatte keine Lust zu reden. Es genügte, dass sie ihn möglichst bald ans Ziel führte. Obwohl sie ein bisschen heruntergekommen aussah, hatte er rasch gemerkt, dass sie keineswegs ungebildet war.
    Stolz sah sie in die Ferne. »Eine im Süden wohnende Riesin ging zum Gebären zu Verwandten in den Norden. Unterwegs stolperte sie über die Marungu-Berge, stürzte und starb. Die Ameisen begruben sie. Nur ein Teil des Leibes blieb sichtbar: ihre Brüste und der Bauch – die Nyezungu-Hügel und der Mwanga. Die Aasvögel kamen und rissen den Fötus aus der Gebärmutter, darum ist im Mwanga ein Loch zurückgeblieben.«
    So wie sie erzählte, hätte man nicht vermutet, dass die Frau im Laufe der Jahre schon zahlreiche Wissenschaftler durch die Gegend geführt hatte. Es war kein Zufall, dass es so viele Forscher hierhin zog: Man hatte hier Hominidfossile aus den dunklen Anfängen der Menschheit gefunden. Die Funde in der Olduvai-Schlucht, am Turkana-See und zwischen den Samburu-Höhen hatten gezeigt, dass es sich bei diesem Gebiet um eine paläontologische Schatzkammer handelte.
    »Gehen wir weiter«, sagte Timo ungeduldig. Was würde er am Koordinatenpunkt vorfinden? Wahrscheinlich nichts. Und plötzlich merkte er, wie dieser Gedanke ihn erleichterte, auch wenn er sich im Falle eines blinden Alarms vor all seinen Kollegen lächerlich machen würde.
    Obwohl sie einen Korb auf dem Rücken trug, ging die Führerin schnellen Schrittes. Timo wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Das

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