Ewige Nacht
Vorfall durchsickern«, sagte Luciano Pecorelli, Chef der vatikanischen Polizei. Die vatikaneigene Polizeiorganisation bestand aus über 120 Mitarbeitern, die für die Sicherheit des Zwergstaats verantwortlich waren. Der Schutz des Papstes und der apostolischen Paläste hingegen war der Schweizer Garde überlassen. Die Tauglichkeit beider Organisationen wurde in regelmäßigen Abständen in Frage gestellt, weil es immer wieder vorkam, dass Touristen auch in geschlossenen Bereichen herumirrten, selbst dort, wo sich die Privatgemächer des Papstes befanden.
»Ist es möglich, dass der Heilige Vater in irgendeiner Form unter Drogen gesetzt wurde?«, fragte der Chef der Schweizer Garde.
»Er ist nicht unter Drogen gesetzt worden«, entgegnete Montanello. »Aber es gibt einen Einstich in seinem Arm, und er hat Fieber. Ich bin besorgt.«
Es klopfte an der Tür.
»Avanti«, sagte Kardinal Ruggiero deutlich.
Ein Mitarbeiter der Vatikan-Polizei erschien in der Tür. »Verzeihen Sie die Störung. Aber Herr Kline und Frau Fuchs, denen die Audienz tatsächlich gewährt worden war, sind gefesselt in einem Hotelzimmer in der Via Gollia aufgefunden worden.«
Die Hektik und der Druck, die am Abend im TERA-Hauptquartier in Brüssel geherrscht hatten, nahmen zu, je weiter die Nacht vorrückte.
»Und Sergej? Ist Sergej Iwanowitsch noch im Haus?«, sagte Timo in den Hörer und schaute dabei auf die Liste, die er inzwischen erstellt hatte. Zwischen den Unterlagen auf dem Schreibtisch stand ein längst abgekühlter Kaffee.
»Sergej Iwanowitsch ist im Frühjahr zu einer privaten Sicherheitsfirma gegangen«, sagte die Stimme am anderen Ende der rauschenden Leitung. Dort sprach der Verbindungsoffizier, der zwischen Miliz und FSB vermittelte. Timo hatte ihn in Sankt Petersburg einige Male getroffen.
»Warum fragen Sie? Wieso interessiert sich die finnische Polizei …«
»Ich bin in Brüssel bei einer Ermittlungseinheit der EU, Pawel Wiktorowitsch. Wir haben hier eine Situation, über die ich auf einer normalen Leitung nicht sprechen kann.«
»Ich ahne, was Sie meinen. Aber wir in Sankt Petersburg können in dieser Sache nicht behilflich sein. Auf Befehl von GUMO hat das Hauptquartier in Moskau die Führung übernommen.«
»Können Sie mir bitte eine Kontaktperson in Moskau nennen?«
»Versuchen Sie es bei Mihail Aleksejewitsch. Aber machen Sie sich auf knappe Auskünfte gefasst. Das ist eine heiße Sache.«
»Danke, Pawel Wiktorowitsch.«
Timo legte auf und schlug mit der Faust so heftig auf seine Liste, dass sie riss. Das Hauptquartier des russischen Geheimdienstes in Moskau war mal wieder äußerst abweisend und bürokratisch. Noch schlimmer war nur das zur Armee gehörige GUMO, das für Atomwaffen zuständig war. Nach dem 11. September hatte es auf Druck des Kreml eine Kampagne in Angriff genommen, mit dem Ziel, den Westen von der Sicherheit der russischen Atomwaffen zu überzeugen. Doch in den Schlüsselpositionen befanden sich Menschen, an deren Gesinnung der Westen ernsthafte Zweifel haben konnte. Darum hatte GUMO detaillierte Informationen über das Personal, das für die Beaufsichtigung des Atommaterials zuständig war, geliefert. In dem Zusammenhang waren auch psychologische Tests, Drogen-und Alkoholkontrollen sowie Versuche mit dem Lügendetektor vorgenommen worden.
Grund zur Skepsis bestand durchaus, denn in Russland wurden noch immer an die 20000 taktische Atomwaffen gelagert, von den strategischen ganz zu schweigen. Wegen der Gefahr durch tschetschenische Terroristen hatte Putin die Bewachung bereits intensiviert. Ein Aspekt war besonders besorgniserregend: Bei den meisten Atomwaffen waren die elektromechanischen Auslösesperren entfernt worden, denn diese waren teuer und kompliziert in Betrieb zu halten. Trotzdem wurden täglich Hunderte von Waffen transportiert – entweder zu neuen Lagerplätzen oder zur Vernichtung.
Das Beunruhigendste aber war, dass man nicht einmal eine Atomwaffe brauchte, um verheerende Zerstörungen zu verursachen. Es genügte bereits eine gewisse Menge radioaktiven Mülls, der um einen konventionellen Sprengsatz drapiert wurde. Für die Herstellung einer solchen »schmutzigen Bombe« waren nicht einmal Kenntnisse in Kernphysik nötig.
Die Bedrohung war konkret. Tschetschenen hatten einmal eine Stange Dynamit an einem Kanister mit radioaktivem Cäsium 137 befestigt und die Bombe im Moskauer Izmailovo-Park abgestellt, um zu zeigen, was sie hätten hochgehen lassen können, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher