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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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und Struppi‹ verdorben, obwohl man den Inhalt eigentlich aus der Perspektive der 30er Jahre sehen musste. Das Brüssel jener Zeit faszinierte Timo nämlich durchaus. Faschistische Gruppen sorgten für Unruhe, es gärte die soziale Unzufriedenheit, und die Menschen flohen vor der Wirklichkeit in die surrealistische Kunst von Magritte und Delvaux und in die fantastischen ›Tim-und-Struppi‹-Welten von Hergé.
    »Kannst du mich morgen früh zur Schule bringen?«, fragte Aaro.
    »Wie es aussieht, ja. Ich fahre dann direkt zum Flughafen weiter.«
    »Wohin fliegst du?«
    Timo seufzte. »Frag nicht.«
    »Wie lange bist du weg?«
    »Ein paar Tage. Deine Mutter kommt übers Wochenende aus Genf. Ich hab Geld aufs Küchenregal gelegt. Schmeißt es nicht zum Fenster raus.«
    Timo kramte in der Hosentasche und zog einen Zettel heraus. »Hier ist eine Telefonnummer, unter der ich erreichbar bin. Aber bitte nur wählen, wenn wirklich etwas anliegt.«
    Aaro sah sich die Nummer an. »Was ist denn das für eine Nummer?«
    »Die gehört zu einem Satellitentelefon.«
    »Hast du das hier? Zeig doch mal …«
    »Es ist im Büro. Schreib dir die Nummer auf.«
    Aaro musterte ihn skeptisch. »Wohin fährst du?«
    »Ich erzähl es dir später.«
    Timo zog sich ins Schlafzimmer zurück und machte die Tür zu. Dann packte er das GPS-Navigationsgerät aus, das er sich bei TERA geliehen hatte. Es war nicht größer als ein Handy und zeigte die genauen Standortkoordinaten an. Anschließend rief er über die Leitung seines Diensttelefons seinen italienischen TERA-Kollegen de Gasperi an, der bei den Vatikan-Ermittlungen als Verbindungsmann fungierte.
    »Wenn sich herausstellt, dass hinter dem Virus, mit dem der Papst infiziert worden ist, das russische Biowaffen-Programm steckt, finden wir nur dort ein Gegenmittel«, sagte de Gasperi. »Der Vatikan und Rom stehen jetzt in direktem Kontakt mit dem Kreml.«
    »Aus Moskau ist keine Hilfe zu erwarten«, sagte Timo mit gesenkter Stimme und schaute aus dem Schlafzimmerfenster in den kleinen Garten hinter dem Haus. »Es ist doch nicht ernsthaft anzunehmen, dass die russische Armee zugibt, über ein Biowaffenprogramm zu verfügen!«
    »Man wird für den Papst alles tun, was man kann. Die CIA redet derzeit mit abtrünnigen russischen Biowaffenexperten, in der Hoffnung, dass sie etwas über das Vatikan-Ebola wissen.«
    »Wie ist der Zustand des Papstes?«
    »Verschlechtert sich rapide. Du wirst aus mehreren Gründen keine Erlaubnis bekommen, ihn zu besuchen, sein Gesundheitszustand ist einer davon.«
    »Ich habe die Erlaubnis schon. Dank Wilson. Es geht um das Prestige der TERA. Nichts ist so effektiv wie das Ausnutzen von Kompetenzgerangel.«
    Nach dem Telefonat zog Timo seinen Schlafanzug an, dann nahm er die ausgedruckte Kongo-Datei aus seiner Aktentasche. Die finstere gemeinsame Vergangenheit von Belgien und dem Kongo kannte er gut, aber über die aktuelle Situation des Landes wusste er nur, dass die Krise zwischen Lendu und Hema im Itur-Gebiet an der Grenze zu Uganda das Eingreifen von Friedenstruppen der UN erforderlich gemacht hatte. Timos Reiseziel lag weit im Südosten, wo es keine Unruhen gegeben hatte. Trotzdem hatte der Blick auf die Papiere nichts Beruhigendes. Die Demokratische Republik Kongo war nach allen Maßstäben einer der erbärmlichsten Winkel der Welt.
    »Vermeiden Sie es, nachts am Flughafen von Kinshasa anzukommen. Eine Taxifahrt in die Stadt ist dann praktisch unmöglich, denn bewaffnete Gruppen halten Autos an, rauben die Insassen aus oder bringen sie um … In der Stadt ist es auch tagsüber riskant, besonders für Ausländer … Die Sicherheitslage in einigen Provinzen entspricht der in Kriegsgebieten …«
    Die eigentlichen Arbeitsunterlagen hatte Timo nicht mitnehmen können, aber er hätte es auch nicht gewollt. Stärker als je zuvor wollte er eine Mauer zwischen Arbeitsplatz und Zuhause errichten.
    Nur zwei Landkarten hatte er in seine Aktentasche geschoben. Die eine war eine belgische Karte des Kongo, auf der bei einigen Orten stand: P OSITION APPROXIMATIVE . Selbst wenn man im Kongo eine Karte bei sich hatte, konnte man sich letztlich nicht über seinen Standort sicher sein. Aus westlicher Sicht war der Kongo eines der letzten unerforschten Gebiete auf dem Planeten gewesen, eine Terra incognita, bis Stanley angefangen hatte, das Land zu kartieren.
    Die andere Karte stammte aus der Datenbank der amerikanischen Defence Mapping Agency , und die TERA hatte nur dank

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