Ewige Schreie
Personen von einer Seite zur anderen bewegten, als wären sie aus Gummi und jemand würde daran ziehen.
Eine Schwäche konnte ich mir nicht erlauben. Besonders deshalb nicht, weil noch zwei kampffähige Männer vor mir standen. Auf ihren Gesichtern war das Entsetzen darüber abzulesen, daß sich die Situation so schnell geändert hatte, aber sie machten mir auch den Eindruck, daß sie nicht aufgeben wollten.
»Weg mit den Messern!« Ich drehte die Schrotflinte, so daß die Mündung in Richtung der beiden Kerle wies.
Sie zögerten, schauten mich lauernd an. Auf ihren Gesichtern sah ich das Zücken, ein Zeichen dafür, daß sie einen inneren Kampf mit sich selbst ausfochten.
Sollten sie - sollten sie nicht?
»Weg damit!«
Da spielte mir Helen einen Streich. Trotz der über den Friedhof gellenden Schreie hörte ich ihr Seufzen, sah, wie sie zitterte, dann folgte der Zusammenbruch.
Helen konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, ein Taumel erfaßte sie und riß ihr buchstäblich die Beine weg. Sie kippte um wie eine Puppe.
Das wollten die beiden Kerle nutzen. Einer hob seinen Arm, um die Klinge zu schleudern.
Ich mußte schneller sein als der blitzende Stahl und feuerte. Die Mündungsflamme, die aus der Öffnung schoß, hatte die Länge einer Hand. Mit ihr kam das Schrot. Gehacktes Blei, Nägel und was weiß ich nicht alles.
Ich hatte tief gehalten, um auch den Rückschlag der Waffe auszugleichen, denn töten wollte ich nicht.
Bevor der Kerl sein Messer auf die Reise schicken konnte, riß ihm die Schrotladung beide Beine weg. Die Ladung hackte in Waden, Knie und Oberschenkel, der Mann führte eine groteske Bewegung aus und fiel danach zu Boden.
»Los, Roy!«
Der Befehl mischte sich in das Echo des Schusses, das über die Gräberreihen hallte. Und ausgestoßen hatte ihn Paddock. Er war also nicht so schwer verletzt, vielleicht hielt ihn auch der Haß auf mich aufrecht, und Roy, der seinen Kumpan hatte fallen sehen, reagierte wie ein Automat.
Er sprang auf mich zu, wollte das Messer schleudern, und mir wurde klar, daß ich auf so eine kurze Entfernung kaum ausweichen konnte. Schießen war ebenfalls nicht drin, denn die alte Flinte besaß nur einen Lauf. Trotzdem wehrte ich mich.
Wuchtig schleuderte ich das Gewehr dem anstürmenden Roy entgegen, der damit nicht gerechnet hatte, zwar noch ausweichen wollte, es allerdings nicht schaffte. Die Flinte traf ihn mit ihrem Kolben hart an der Schulter. Ausgerechnet noch an der rechten, denn in der Hand hielt er das Messer.
Der Treffer war so hart, daß er Roy herumschleuderte und dieser nicht mehr daran dachte, die Waffe zu werfen. Zu Boden ging er nicht, denn er war hart im Nehmen. Dafür stieß er einen wilden Fluch aus, änderte die Richtung und torkelte auf mich zu.
Ich hatte mich wieder gefangen, war nach vorn gelaufen und bückte mich. Da lag die Beretta.
Meine Hand faßte zu wie eine kampfbereite Klapperschlange. Noch in hockender Stellung drehte ich mich und zielte genau auf den heranstürmenden Roy. »Bleib stehen, Junge!«
Der hörte meine Stimme und merkte, daß es mir verdammt ernst war. Einen Schritt zur Seite machte er noch, dann stand er still.
»Und jetzt weg mit dem Messer!« Roy sah ein, daß ich die besseren Argumente in meiner Hand hielt. Er öffnete die Faust, der Griff rutschte an seiner Handfläche entlang, die Waffe fiel zu Boden.
»Wunderbar«, sagte ich, kam hoch, ging auf Roy zu und hob auch meinen rechten Arm etwas an. Roy wußte, was folgen würde. Er wollte seine Hände als Deckung benutzen, ich war schneller. Zwischen den Fingern der Hände hindurch fand der Berettalauf zielsicher seinen Weg. Er traf die Stirn des Schlägers, und der Hieb schickte Roy zu Boden, wo er bewußtlos liegenblieb.
Das war geschafft.
Ich schaute mich um.
Garner rührte sich nicht mehr. Dort, wo das Geschoß in seinem Hals steckte, sah ich einen dunklen Blutfaden.
Paddock war auch unfähig, sich zu wehren. Er lag auf dem Rücken, sein Gesicht war verzogen, und die Hand drückte gegen die Einschußstelle in der Brust.
Der erste Messerheld, dessen Namen ich nicht wußte, hatte die Schmerzen ebenfalls nicht überstehen können. Eine tiefe Bewußtlosigkeit hielt ihn umfangen. Wie auch Paddock brauchte er einen Arzt, aber an den konnte ich jetzt nicht herankommen, die andere Sache war wichtiger.
Blieb noch Helen.
Sie lehnte am Stamm eines Baumes. Ich hatte nicht gesehen, wie sie dorthin gegangen war. Sie starrte ins Leere. In der rechten Hand hielt
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