Ewige Treue
Sie schloss die Augen wieder. »Glaub mir.« Als die Augen wieder aufgingen, ergänzte sie: »Versuch das mal einem Bullen zu erklären.«
»Das werde ich. Du wurdest vergewaltigt.«
»Er wird behaupten, dass das egal ist.«
»Mir ist es aber nicht egal!« Er schoss so ungestüm aus seinem Sessel, dass der hintenüberkippte. Dwight kam in seiner Schürze und mit einem tropfenden Kochlöffel in der Hand angerannt. »Gehen Sie zurück an Ihre Cremesuppe«, befahl Griff. Dwight zögerte, hielt dann die freie Hand unter den tropfenden Löffel und zog sich rückwärts in die Küche zurück. Der fast komisch anmutende Rettungsversuch des Dekorateurs ließ Griffs Zorn verpuffen. Er stellte den Sessel wieder auf, setzte sich und griff nach Marcias Hand.
»Rodarte wird keine Ruhe geben. Dieser Hurensohn verfolgt mich. Er weiß genau, was ich tue. Aber das ist alles nichts gegen eine Vergewaltigung. Dafür würde ich ihn am liebsten umbringen. Aber das kann ich nicht, und er weiß das. Ich kann überhaupt nichts unternehmen, ohne dabei gegen meine Bewährungsauflagen zu verstoßen. Er wird mich weiter verfolgen, Marcia. Mir immer weiter zusetzen. Und er wird weiterhin den Menschen in meiner Nähe wehtun. Ich habe keine andere Möglichkeit, als zur Polizei zu gehen.«
»Ich flehe dich an, Griff, tu das nicht.«
»Aber …«
»Sieh mich an!« Ihr standen Tränen in den Augen. »Wenn du das tust, stehe ich mit meinem Geschäft im Scheinwerferlicht. Alle scheinheiligen Bibelklopfer, von denen nicht wenige bei mir aus und ein gehen, werden aus ihren Löchern kriechen und mich mitsamt meinem Gewerbe verdammen. Meinen selbstgerechten Kritikern wäre es egal, dass ich zerfetzt und blutüberströmt notoperiert werden musste. Sie würden behaupten, diese Strafe sei meinen Sünden angemessen.
Falls Rodarte je zur Rechenschaft gezogen würde, was ich bezweifle, würde er alles abstreiten und die Prügel auf einen Freier oder Freund schieben, der nach ihm bei mir gewesen sein soll. Wahrscheinlich würde er alles auf dich schieben. Es gibt keine DNA. Er hat ein Kondom verwendet.« Säuerlich ergänzte sie: »Worüber ich ehrlich gesagt froh bin.«
»Jesus«, fluchte Griff, der genau wusste, dass sie wahrscheinlich recht hatte. »Du erwartest also von mir, dass ich gar nichts unternehme.«
»Ich bitte dich, nichts zu unternehmen. Ich habe das Scheinwerferlicht gemieden, als ich noch verführerisch und sinnlich aussah. Glaubst du, ich würde es ertragen, wenn man mich so sähe? Bestimmt nicht, Griff. Eher würde ich vom Dach springen.« Sie sagte das so überzeugend, dass er ihr aufs Wort glaubte. »Die Gefahr, bloßgestellt zu werden, würde meine Kunden verscheuchen. Ich würde alles verlieren. Wenn du nur etwas Achtung oder irgendwas für mich empfindest, dann lass es sein. Lass es sein.« Sie zog ihre Hand aus seiner und schloss die Augen.
»Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen. Sie braucht Ruhe.« Dwight war wieder ins Zimmer gekommen. Er klang nicht unfreundlich, aber er betrachtete sich ganz eindeutig als Marcias selbst ernannter Anwalt und Beschützer.
Griff nickte und stand auf. Bevor er sich abwandte, beugte er sich noch einmal vor und küsste Marcia auf die geschlossenen Lider.
Dwight brachte ihn zur Tür. »Es wäre besser, wenn Sie anriefen, bevor Sie wieder herkommen.« Griff zeigte seinen guten Willen mit einem kurzen Nicken.
Draußen drückte er den Aufzugknopf, war aber so gedankenverloren, dass er sekundenlang in die leere Kabine starrte, bevor er wirklich begriff, dass sie angekommen war.
Auf der Fahrt nach unten erkannte er, dass Marcia ihre Meinung nicht ändern würde. Wenn er Druck auf sie ausübte, würde er ihr damit nur noch mehr Angst machen. Er hatte ihr schon genug Leid zugefügt, und unter dem Strich hatte sie wahrscheinlich recht. Wenn er die Sache der Polizei meldete, würde er damit nicht nur sie, sondern auch sich selbst ins Scheinwerferlicht rücken. Und das wollte er genauso wenig wie sie.
Nein, er musste dieses Problem allein und von Mann zu Mann mit diesem Hurensohn lösen.
Er machte kurz bei dem Blumenladen in der Eingangshalle Halt und ließ eine Orchidee in Marcias Penthouse liefern. Auf die beiliegende Karte schrieb er: »Okay, es bleibt unser Geheimnis. Aber er wird bezahlen.«
Die Unterschrift ließ er weg.
15
G
riff hörte die Türglocke im Haus läuten und die näher kommenden Schritte. Sein Magen krampfte sich ängstlich zusammen, weil er keine Ahnung hatte, wie man ihn
Weitere Kostenlose Bücher