Ewiger Schlaf: Thriller
einen wie Sie getroffen. Ihre Frau hat wirklich Glück. Ich hoffe, sie weiß das.«
Waters konnte verstehen, dass Cole sich in diese Frau verguckt hatte. Die Aufrichtigkeit in ihren Augen bewirkte, dass man ihr Freude machen wollte, sie so glücklich machen wollte, wie man nur konnte.
»Cole ist noch nicht wieder ins Büro gekommen?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube auch nicht, dass er heute noch kommt.«
»Okay. Hören Sie, ich weiß wirklich zu schätzen, dass Sie so offen zu mir waren. Warum gehen Sie jetzt nicht nach Hause? Es gibt nichts zu tun. Machen Sie einen Mittagsschlaf, und gönnen Sie sich später ein schönes Abendessen. Gehen Sie ins Castle, und bringen Sie mir die Rechnung.«
Sybil lächelte ihn ironisch an und erhob sich. »Heute Abend nur Wendy’s. Ich bin zu kaputt für alles andere.«
Er lachte. »Machen Sie sich keine Sorgen, Sybil. Ich werde nicht zulassen, dass Cole etwas Schlimmes passiert.«
Sie blieb an der Tür stehen und nickte ernst. »Ich hoffe, es ist nicht zu spät.«
»Das hoffe ich auch«, sagte er leise, nachdem sie aus dem Zimmer war.
Um 13.50 Uhr stand Waters auf dem höchsten Punkt des Jewish Hill und blickte über den Mississippi. Nachdem Sybil gegangen war, hatte er in der St. Stephens angerufen, um sicherzugehen, dass Annelise in der Schule war. Dann hatte er das Büro abgeschlossen und war direkt zum Friedhof gefahren. Er brauchte Zeit zum Überlegen, bevor er Lily wieder gegenübertrat – und hier war der Ort, an dem er am besten nachdenken konnte. Viel Zeit blieb ihm nicht. Annelise würde um 14.30 Uhr aus der Schule kommen, und er wollte dort sein, um sie abzuholen. Er wollte sie nicht mit Lily allein lassen, bevor er genau wusste, was vor sich ging.
Während er beobachtete, wie ein großes Segelboot unter der Zwillingsbrücke hindurchfuhr, die den Fluss überspannte, tauchte am ersten Tor des Friedhofs ein Trauerzug auf und bog in den neuen Bereich ein, der aussah wie jeder Friedhof in jeder beliebigen Stadt in Amerika: niedrige Grabsteine auf ebenem Boden und nur wenige Bäume, die den Blick begrenzten. Waters war froh, dass es ihm gelungen war, ein Familiengrab in einem der älteren Bereiche zu kaufen, im Schatten großer Eichen und von Steinmauern und schmiedeeisernen Zäunen umgeben. Wahrscheinlich spielte es für die Toten keine Rolle, wo sie zur letzten Ruhe gebettet wurden, aber für die Hinterbliebenen war es durchaus von Bedeutung. Waters hatte genügend Zeit am Grab seines Vaters verbracht, um das zu wissen.
Ungefähr fünfhundert Meter von Jewish Hill entfernt erwartete ein grünes, von der Sonne ausgebleichtes Grabzelt die Trauernden. Er hatte es beim Hereinfahren gar nicht bemerkt. Das Zelt schützte das offene Grab, den Sarg und die Familie sowie die engsten Verwandten vor Sonne oder Regen. Die Autos des Trauerzugs parkten Stoßstange an Stoßstange in einer langen Reihe; dreißig oder vierzig an der Zahl, versperrten sie die schmale Straße. Die Scheinwerfer erloschen. Dann stiegen Trauernde in dunklen Anzügen aus und versammelten sich in einem Kreis um das Zelt. Waters war schon auf hundert Beerdigungen gewesen, die dieser bis aufs Haar glichen: dasselbe Zelt, derselbe Leichenwagen, praktisch dieselbe Trauergemeinde. So war es in kleinen Städten nun einmal.
Während er zusah, kam ein Nachzügler durch das falsche Tor herein und suchte nach einer Straße, die zur Trauerfeier führte. Ein Schild an der Autotür besagte SUMNER – EXKLUSIVE IMMOBILIEN . Es dauerte einen Moment, bis die Bedeutung in Waters’ Hirn durchgesickert war, doch als der Nachzügler drehte und auf das grüne Zelt zufuhr, wurde seine Miene bitter.
Unter diesem Grabzelt lag Eve Sumner. Kalt und still, mit einer hässlichen, y-förmigen Naht, die die Autopsie in ihrem Rumpf hinterlassen hatte. Sie würde gleich vor seinen Augen beerdigt werden.
Sein erster Instinkt war zu fliehen. Vielleicht war Tom Jackson unter den Trauernden, um zu beobachten, wer auf der Beerdigung des Mordopfers auftauchte. Waters warf einen Blick auf seinen Land Cruiser. Zufrieden, dass der Wagen außer Sichtweite des Grabzelts geparkt war, ging er zu einem schmiedeeisernen Zaun, der die alten jüdischen Gräber umgab. Waters setzte sich und lehnte sich an den Zaun. Die Trauergäste würden ein Fernglas brauchen, um auf diese Entfernung sein Gesicht zu erkennen, und da er vor dem Zaun saß, war es unwahrscheinlich, dass man ihn überhaupt bemerkte.
Eves Mutter und ihr Sohn im
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