Ewiger Schlaf: Thriller
ätzende Säure in seinen Adern ausbreitete. Er hatte Annelise an der Schule verpasst. Ein Anruf im Sekretariat hatte ergeben, dass Rose sie abgeholt hatte, und Roses Mobiltelefon war nicht eingeschaltet. Das bedeutete, dass Annelise vielleicht schon mit Lily zu Hause war. Das war beinahe mehr, als Waters verkraften konnte. Auf dem Friedhof hatte er sich gesagt, seiner Frau und seinem besten Freund vertrauen zu können. Das bedeutete, es gab keine Verschwörung mit dem Ziel, ihn in den Wahnsinn zu treiben oder ihm einen Mord anzuhängen. Was wiederum bedeutete, dass alles stimmte, was »Eve Sumner« ihm erzählt hatte. Er war der echten Eve nie begegnet, außer vielleicht in den schrecklichen letzten Sekunden im Hotelbett, bevor er das Bewusstsein verlor. Und doch, während er »schlief«, hatten seine Hände, geführt von der kranken Seele der Mallory Candler, Eve getötet.
Und jetzt war Mallory mit Annelise allein, verborgen in Lilys nichts ahnendem Gemüt.
Waters bog in die State Street ein, den Fuß fest auf das Gaspedal gedrückt, und ließ den Land Cruiser durch die enge Gasse zwischen den beiden Reihen geparkter Wagen rasen. Seine Angst galt nicht nur Annelise, die eigentliche Gefahr drohte in diesem Augenblick Lily. Penns Kommentar über Lilys wiedererwachten Sexualtrieb hallte in seinem Kopf wider: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Manche Menschen mochten es für ein Geschenk der Götter halten, Lily Waters und Mallory Candler im selben Körper zu haben, besonders wenn man Lily für die Tagschicht und Mallory in der Nacht bekäme. Es war die Wirklichkeit gewordene Fantasie von der Heiligen und der Hure. Doch Waters wusste, dass dieser Zustand nicht andauern würde. Jetzt, wo Mallory ihm so nahe war, würde sie nicht damit zufrieden sein, friedlich mit Lily zu koexistieren. Mallory Candler teilte niemals. Sie würde all ihre Macht einsetzen, um Lily zu kontrollieren, sie zu beherrschen, und schließlich jede Spur von ihr aus dem Körper ausmerzen, den Mallory bewohnen wollte.
Dann würde die Gefahr sich auf Annelise verlagern. Denn ganz gleich, was für Fantasien Mallory von häuslicher Glückseligkeit hatte, irgendwann würde sie Annelise als Bedrohung betrachten – eine lebende Erinnerung an Lily. Und früher oder später würde sie handeln, um diese Gefahr zu beseitigen. Genau wie sie Eve Sumner beseitigt hatte.
»Mallory hat Eve getötet«, sagte Waters laut.
Er bremste scharf und bog in seine Einfahrt ein, raste auf das Haus zu. Er sah, dass Roses Saturn noch vor dem Eingang parkte, und atmete für den Moment auf. Wenn Rose noch da war, würde er nicht warten müssen, bis Annelise im Bett war, um Lily alleine zu sprechen. Er kam an der vorderen Terrasse zum Stehen, stellte den Motor ab und rannte ins Haus.
»Daddy!«, rief Annelise am Ende des Flurs. Sie hielt Pebbles auf dem Arm und war gerade auf dem Weg von einem Zimmer ins andere.
»Süße!«, rief er, rannte zu ihr und hob sie schwungvoll in die Luft. »Wo ist Rose?«
»Wer rennt da in meinem Haus herum?«, rief Rose und kam in den Flur. »Ah, ich hätte es wissen müssen. Ich bin froh, dass Sie hier sind, Mr John. Ich muss heute früher gehen.«
»Wo ist Lily?«
»Sie schläft. Sie war fast den ganzen Tag müde.«
Gott sei Dank. »Rose, könnten Sie vielleicht eine Stunde länger bleiben?«
Die Hausangestellte schaute zweifelnd. »Ich muss für meine Schwester zur Apotheke fahren und ihr Kalium holen.«
»Ist es sehr wichtig? Ich brauche Sie wirklich, Rose.«
Die schwarze Frau sah Waters aufmerksam ins Gesicht; dann sagte sie: »Ich nehme an, ich könnte meinem nutzlosen Neffen sagen, dass er die Tabletten holen soll. Falls sein Auto fährt.«
»Vielen Dank, Rose. Können Sie mit Annelise ein paar Minuten nach draußen gehen und spielen? Ich komme dann gleich zu Ihnen hinaus.«
Rose nickte, doch Misstrauen spiegelte sich auf ihrem Gesicht. »Komm mit, Mädchen«, sagte sie zu Annelise. »Setz diese räudige alte Katze auf den Boden, und bring mir mein Telefon hinaus zur Schaukel.«
»Pebbles ist nicht räudig «, entgegnete Annelise, wohl wissend, dass Roses Sticheleien nur Spaß waren.
»Hmmm«, brummte Rose.
Annelise flitzte in die Küche, um das Handy zu holen, dann rannte sie zur Hintertür. Rose folgte ihr langsam; ihre breiten Hüften schwangen mit geduldiger Zielstrebigkeit.
Sobald sie draußen war, ging Waters zum Schlafzimmer und öffnete die Tür. Lily lag zugedeckt auf der Seite und atmete tief.
Er
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