Ewiger Schlaf: Thriller
Sie da?«, fragte Sybil von der Tür aus.
Waters fuhr in die Höhe. »Ich ... versuche leise zu sein. Cole schläft immer noch.«
»Er schläft schon den halben Morgen.«
Waters ging rasch zur Tür. »Vielleicht hat er gestern Abend zu viel getrunken.«
Sybil runzelte die Stirn. »Heute Abend trinkt er nicht. Er sagt Dinge, die er nicht so meint, wenn er betrunken ist. Und das hatte ich schon zur Genüge. Heute Abend will ich die Wahrheit hören.«
Waters wollte ihr den Arm tätscheln, konnte sich aber nicht dazu durchringen, sie zu berühren. Er schlüpfte an ihr vorbei und in den Flur. »Ich fahre zum Mittagessen nach Hause. Kann sein, dass ich heute dann nicht mehr ins Büro komme.«
Sybil nickte und meinte mit einem Blick auf Cole: »Vielleicht sollte ich ihn wecken.«
Waters blickte über ihre Schulter und versuchte einzuschätzen, was dann passierte. Wer würde aufwachen? Cole oder Mallory?
»Ich würde ihn lieber schlafen lassen«, sagte er, und ein Hauch von Parfum stieg ihm von Sybils Hals in die Nase. »Er sollte heute Abend ausgeruht sein und einen klaren Kopf haben.«
Sie nickte ihm gedankenverloren zu. »Sie haben Recht. Was haben Sie denn bei ihm gesucht?«
»Oh ... ich habe ihm gestern mein Diktiergerät geliehen. Nichts Besonderes.«
Sie nickte wieder. »Kein Scotch für diesen Jungen heute Abend.«
Waters ließ Sybil in Coles Tür zurück und ging zur Hintertreppe. Er versuchte, seine Gedanken auf Lily und Annelise zu konzentrieren. Es war die einzige Möglichkeit, den heutigen Abend und das, was er vorhatte, zu überstehen.
Waters fuhr langsam durch die dunkle North Union Street. Lily saß steif im Sitz neben ihm, während Annelise auf der Rückbank schlief; unter dem Fahrersitz lag eine Waffe. Große viktorianische Häuser säumten beide Seiten der Straße. Ihre Zuckerbäcker-Fassaden wirkten in der Nacht seltsam bedrohlich. Waters fuhr weder seinen Land Cruiser noch Lilys Acura. Vor einer Stunde hatte Lily ihn einen halben Kilometer vor dem Parkplatz eines Geschäfts für Bohrgeräte auf der Liberty Road abgesetzt, wo stets ein viertüriger Pick-up mit dem Schlüssel unter der Fußmatte stand. Er gehörte einem Ölquellen-Checker, den Waters kannte, wenngleich er seit mehr als zwei Jahren nicht mehr mit dem Mann gesprochen hatte. Das war der Vorteil kleiner Städte: Es änderte sich nur wenig, und wenn, dann nur sehr langsam.
Er hielt am Häuserblock 1200 und ließ den Blick auf der Suche nach den Hausnummern über die Häuserfronten wandern. Sybil Sonnier wohnte in einem Apartment hinter einem der größeren viktorianischen Häuser in der North Union Street. Viele Singles zogen es vor, in diesen gemütlichen Quartieren zu leben statt in Apartments in den unpersönlichen Häuserblocks der Innenstadt.
»Da ist es«, sagte Lily mit angespannter Stimme. »Zwölf-sechsundsechzig.«
Die meisten Häuser hier standen ziemlich nahe zusammen, doch 1266 war von mehr als einem Morgen Land umgeben, und eine zweite Zufahrt führte unter knorrigen alten Eichen hinter das Haupthaus zum schwachen Schein einer Laterne. Dieses Licht gehörte zu Sybils Apartment. Waters hatte das alles am Nachmittag erkundet. Mehr Abgeschiedenheit inmitten der Stadt konnte man sich nicht wünschen, außer vielleicht in Bienville.
Im Haupthaus brannte nur ein Licht. Im zweiten Stock. Ein Badezimmer, vermutete Waters.
»Park ein paar Blocks weiter unten«, sagte Lily. »Wie wir es besprochen haben.«
Waters schwenkte nach rechts, bog in die Einfahrt und steuerte direkt auf die Laterne hinter dem Haupthaus zu.
»Was machst du denn?«, flüsterte Lily.
»So ist es besser. Wenn du auf der Straße sitzt, könnte ein Streifenpolizist erscheinen und den Wagen überprüfen, weil er ihn nicht kennt oder weil das Nummernschild veraltet ist.«
Lily sah ihn noch einen Moment an; dann nickte sie.
Dreißig Meter vor dem kleinen, zweistöckigen Gebäude lenkte Waters den Wagen hinter einen Stapel alter Reifen und stellte den Motor ab. Er hatte keine Ahnung, was diese Reifen sollten, außer dass sich Wasser darin sammelte, das den Moskitos als Brutstätte dienen würde, doch sie boten hervorragende Deckung. Dann saßen Lily und Waters in der Stille, vernahmen nur das leise Ticken des abkühlenden Motors und beobachteten einen schwachen gelben Schein, der aus dem Fenster im ersten Stock des Apartments fiel. Der Pick-up roch nach altem Rohöl, Zigaretten und Diesel.
»Sieh mal«, sagte Lily und deutete aufs Erdgeschoss. »Da
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