Ewiger Schlaf: Thriller
dringender brauchen als jeder andere, und wenn er sich sträuben sollte, könnten sie ihm den Mord leicht anhängen. Dafür wäre nichts weiter nötig als ein anonymer Anruf bei der Polizei. Sie würden in Sybils Apartment nach Haaren, Fasern und Fingerabdrücken suchen und in Sybils Körper nach Coles Sperma. Safer Sex war für Cole beinahe ein Fremdwort. Ein anonymer Hinweis würde ihn ebenso sicher zum Hauptverdächtigen machen, wie Waters der Hauptverdächtige beim Mord an Eve war. Folglich wäre es weit einfacher für Cole zu schwören, er habe sich mit seinen Freunden in Linton Hill einen Pay- TV -Film angesehen, während deren kleine Tochter oben schlief.
Das einzige wirkliche Problem war die Zeit. Wenn Cole jetzt in eine Bar ginge, statt in sein leeres Zuhause (Jenny war mit den Kindern zu ihrer Mutter nach New Orleans gefahren), würde es Coles Alibi sehr verkomplizieren. Aber auch für diesen Fall hatte Waters einen Plan. Hinter Sybils Apartment befand sich ein Bach, der sein Bett tief in die Erde gegraben hatte. Aus seiner Kindheit erinnerte Waters sich an steile, dicht mit Bäumen bestandene Ufer am Rande des Abhangs; er hatte die Richtigkeit dieser Erinnerung bei seinem Nachmittagsausflug überprüft, indem er die parallel verlaufende Straße entlanggefahren war. Wenn er Sybils Leiche dieses Bachufer hinunterwarf, würde es wahrscheinlich mehrere Tage dauern, bevor sie gefunden wurde. Achtundvierzig Stunden mindestens, wenn nicht Tiere ihren Körper ins Freie schleppten. Die genaue Todeszeit festzustellen wäre dann problematisch, selbst mit den hoch effizienten Methoden der FBI -Gerichtsmediziner.
Lily berührte seine Schulter und deutete auf Annelises ausgestreckte Gestalt auf dem Rücksitz. »Wir tun es für sie«, sagte sie leise.
»Ja.«
»Ich weiß, das Warten ist schwer. Denk an irgendwas anderes.«
»Zum Beispiel?«
»An die Zukunft. Das Leben wird anders sein, wenn das hier vorbei ist.«
Er schluckte. »Zweifellos.«
Sie lehnte sich nahe zu ihm, sodass er in der Dunkelheit ihre Augen sehen konnte. »Nicht so. Nicht schlechter. Ich werde mich wieder um dich kümmern. Keine Distanz mehr. Keine Kälte. Dafür ist das Leben zu wertvoll.«
»Du hast Recht. Und wir sind im Begriff, jemandem das Leben zu nehmen.«
Lilys Gesichtszüge verhärteten sich vor Zorn. »Weißt du, was passiert, wenn wir es nicht tun? Mallory wird Sybil ohnehin töten. Wenn du sie verschonst, solange Mallory in ihr ist, ersparst du ihr gar nichts. Es ist das Gleiche, als würdest du sie von einem Lkw überfahren lassen – Mallory würde nichts von ihr übrig lassen. Sie würde nach und nach ihre Seele verschlingen, wie ein Schwarm gieriger Heuschrecken.«
»Du hast Recht.«
Er rechnete damit, dass das Licht in Sybils Zimmer im oberen Stockwerk erlosch, doch es brannte weiter. Er wertete dies als Zeichen, dass Mallory erfolgreich gewesen war. Wenn Sybil immer noch Sybil wäre und soeben nach einem romantischen Abendessen Sex gehabt hätte, würde sie sicher gleich ins Bett gehen. Zumindest im Bett fernsehen. Aber durch keines der Fenster war das Flackern eines Fernsehers zu sehen. Er hatte das Gefühl, dass Mallory in dem stillen Haus saß und ihn erwartete.
»Ich gehe«, sagte er und griff unter dem Sitz nach der Waffe.
»Eine Stunde ist noch nicht um«, protestierte Lily.
»Ist mir egal. Ich tue es jetzt.«
Der Revolver lag kalt in seiner Hand. Es war eine alte Smith & Wesson .38 Special, die sein Onkel ihm geschenkt hatte, als Waters noch Teenager gewesen war. Sein Onkel hatte sie bei einer Jagdauktion gekauft; deshalb war die Waffe nicht registriert.
Lily beobachtete Waters beim Überprüfen des Zylinders. Er war mit einer ungeladenen Waffe hierher gefahren; jetzt holte er eine Patrone aus der Hosentasche und schob sie in die Kammer.
»Hier«, sagte sie und ließ ein Paar Latexhandschuhe in seinen Schoß fallen. »Zieh die an.«
»Woher hast du die?«
»Aus meinem Kosmetikkoffer. Sie waren bei einer Haartönung dabei.«
Die Handschuhe waren zu klein, aber er zog sie trotzdem an.
»Lass sie an, bis du wieder hier bist. Sonst könnten sie deine Fingerabdrücke aus dem Innern der Handschuhe nehmen.«
Ihre Aufmerksamkeit für solche Details erstaunte ihn. Er nickte und streckte die Hand nach dem Türgriff aus, doch Lily packte seine Schulter und sah ihm eindringlich in die Augen.
»Du darfst nicht als Sybil an sie denken. Du musst Mallory in ihr sehen.«
»Ich weiß.« Er zog am Griff und trat gegen
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