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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sie, dass es wahr sein konnte. Wie fühlte es sich wohl an, ein solches Wesen zu sein und nach so vielen Jahren, in denen sie alles gehabt hatte, etwas versagt zu bekommen?
    Lily erstarrte. Eine Gänsehaut überzog ihren Körper. Sie lauschte, spähte ... Vor dem Pick-up war irgendetwas gewesen, hatte ein leises Knacken verursacht. Lily bezweifelte, dass ein Tier ein solches Geräusch machen konnte. Ein Hirsch vielleicht, aber sie war hier in der Stadt. Angestrengt spähte sie zum Haupthaus, dann zum Apartment, sah aber nichts. Was würde sie sagen, wenn der Eigentümer des Hauses plötzlich mit einem Gewehr vor dem Autofenster stünde?
    Hallo, ich heiße Lily Waters. Mein Mann musste hier halten und seiner Sekretärin etwas sagen. Ich hoffe, wir haben Sie in diesem furchtbaren Lieferwagen nicht erschreckt. John musste hinausfahren und bei einer seiner Quellen am Fluss ein Leck überprüfen ...
    »Genau das werde ich sagen«, flüsterte sie.
    Und wenn ein Schuss peitschte, während der Eigentümer vor ihr stand? Was dann? Würde John auch ihn töten müssen?
    Ja, sagte eine Stimme in ihr. So etwas passiert, wenn man mit dieser Art von Wahnsinn erst einmal angefangen hat ...
    Annelise regte sich auf dem Rücksitz. Lily griff nach hinten, rieb ihre Schulter und betete stumm, dass sie nicht aufwachte.
    Auf halbem Weg nach oben blieb Waters regungslos auf Sybils Treppe stehen. Er hatte etwas gehört. Ein Stöhnen ... oder ein Schnarchen vielleicht. Aber nur einmal. Er musste weitergehen, doch irgendetwas hielt ihn an Ort und Stelle fest.
    Geh, befahl er sich selbst. Nicht anhalten.
    Doch seine Füße waren wie angewurzelt. Im Pick-up hatte der Revolver sich ganz normal angefühlt, jetzt hätte er ihn am liebsten auf den Boden geworfen. Er wusste, welches Grauen ihn oben erwartete. Er dachte nicht mehr als Person an Mallory, sondern als Objekt. Es war kein menschliches Mitgefühl in ihr, keine echte Liebe. Er hatte keine andere Wahl, als weiterzugehen. Und doch wollte das Bild von Sybil, wie sie heute in seinem Büro gelächelt hatte, nicht aus seinen Gedanken weichen. So jung, so vertrauensvoll. Sie hatte Cole Smith ihr Herz anvertraut, was der Gipfel der Verrücktheit war. Aber sie war nicht die erste junge Frau, die das getan hatte.
    Waters schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie er sie erschoss. Wenn du es dir nicht ausmalen kannst, wirst du es auch nicht tun. Eine populäre New-Age-Plattitüde. Warum sollte es so schwer sein? Schließlich hatte er bereits eine Frau getötet. Zumindest hatten seine Hände sie getötet. Aber das Töten war keine Frage des Gebrauchs der Hände. Es war eine Frage des Gemüts. Kaltblütig zu töten erforderte ein kaltes Gemüt. Ein Revolver machte es leichter, reduzierte das Töten auf ein kurzes Betätigen des Auslösers. Keine zudrückenden Hände, keine hervorquellenden Augen wie bei Eve Sumner. Aber für einen Mann mit Gewissen konnte das Abdrücken der Waffe, diese kleine Bewegung des Fingers schwerer sein, als einen Berg zu versetzen. Ob es einfacher wäre, Sybil von hinten zu erschießen? Es schien die Tat eines Feiglings – aber wäre es nicht besser für sie, wenn sie ihren Tod nicht kommen sähe?
    So würde ich es wollen, dachte er. Nicht dieser Scheiß, dass das ganze Leben wie ein Film vor den Augen abläuft. Wenn man es kommen sähe, würden die letzten Sekunden sich zu einem Leben voller Reue und Selbstvorwürfen ausdehnen. Bei einer schnellen Kugel durchs Hirn jedoch würde es nichts dergleichen geben – auch kein weißes Licht und keine Engelschöre –, nur sofortige, undurchdringliche Dunkelheit.
    Er knirschte mit den Zähnen und zwang sich, die nächste Stufe hinaufzusteigen. Und wieder die nächste. Oben war ein kleiner Flur, von dem zwei Türen abgingen. Die rechte führte in ein Badezimmer – er sah, wie sich das Licht in einem Edelstahl-Bein unter dem Waschbecken spiegelte. Die andere Tür stand nur ein kleines Stück offen; dort war bestimmt ihr Schlafzimmer. Ein dünner Strahl gelben Lichts sickerte in den Flur wie eine Einladung.
    Warum ist sie hier oben?, fragte er sich. Warum wartet sie nicht unten mit einer Flasche Champagner? Vielleicht saß sie nackt auf dem Bett – in ihrer Lieblingshaltung, dem Schneidersitz – und wartete schweigend auf den Geliebten, den zu erreichen sie ein Jahrzehnt lang gekämpft hatte. Aber dann erinnerte er sich, wie tief Cole an diesem Nachmittag geschlafen hatte. Vielleicht kämpfte Mallory in diesem Moment

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