Ewiger Schlaf: Thriller
Worte Mallory und du einander vor zwanzig Jahren zugeflüstert habt! Und weil sie im Grunde gar nichts gesagt hat, können wir wohl davon ausgehen, dass sie dir bloß einen verdammten Kuss zugeworfen hat.«
»Und gestern Abend?«
»›Du bildest dir gar nichts ein‹? – ›Ruf mich morgen an‹?«
»Genau.«
Cole lachte leise und blies eine blaue Rauchwolke über den Schreibtisch. »Sie hat einfach nur erkannt, was dein Partner schon lange weiß: dass du seit deiner Heirat ein bisschen schwer von Begriff bist, was Sex betrifft. Wie lange ist es her, dass du mit einer Frau was gehabt hast? Zwölf Jahre? John Waters, Treuester aller Treuen. Der Letzte seiner Art. Evie sagt dir, dass du dich nicht täuschst, dass du dir nicht eingebildet hast, dass sie dich anmacht. Du solltest sie anrufen.«
»Was ist mit: ›Ich bin es‹?«
»Vielleicht hat sie vorher schon versucht, deine Aufmerksamkeit zu erregen, und du hast es nicht mitbekommen. Vielleicht hat sie dir etwas geschickt. ›Ich bin es.‹ Verstehst du? ›Ich bin diejenige, die versucht, deine Aufmerksamkeit zu erregen.‹«
»Niemand hat mir was geschickt.«
Cole seufzte müde, sagte aber nichts mehr.
Waters sah sich in Coles Büro um. Es ähnelte mehr einem Jugendzimmer als einem Arbeitsraum. Die Wände waren behängt mit Wimpeln der Ole Miss Rebels und anderen Erinnerungsstücken: ein von Trainer Johnny Vaught signierter Football-Helm; ein gerahmtes, von Archie Manning signiertes Rebels-Trikot mit der Nummer 18; ein Trikot der Tennessee Vols, das Archies Sohn Peyton unterschrieben hatte; Schnappschüsse von Cole mit Profisportlern; ein neunpfündiger Barsch, den Cole gefangen hatte, als er siebzehn war; Samurai-Schwerter, die er mit Anfang dreißig gesammelt hatte, und zahllose andere Souvenirs. Waters war von dieser Umgebung jedes Mal ein bisschen peinlich berührt, doch den Investoren gefiel es. Sogar wenn sie Anhänger der rivalisierenden LSU waren, gaben die Ole-Miss-Reliquien Anlass zu lebhaften Gesprächen.
»Was willst du eigentlich sagen, John?«, fragte Cole. »Du glaubst, dass Eve Sumner in Wahrheit Mallory Candler ist? Aus dem Grab zurückgekehrt?«
»Nein. Ich weiß nicht, was ich sagen will. Ich weiß nur, dass sie das Wort bald kannte und den Zusammenhang, in dem es gesagt wurde.«
»Na und? Ich wusste auch davon.«
»Wirklich?«
»Na klar. Ich habe es Mallory und dich in Oxford tausend Mal sagen sehen.«
Waters blickte in das Gesicht seines Partners und versuchte sich zu erinnern, wie es vor zwanzig Jahren ausgesehen hatte.
»Ihr habt es auf Verbindungspartys gesagt, in der Bibliothek, überall. Und wenn ich es gesehen habe, dann haben Mallorys Freundinnen es auch gesehen.«
»Aber Eve Sumner war keine Freundin von Mallory. Sie ist zehn Jahre jünger.«
»Vielleicht hat Eve eine ältere Schwester, die auf der Ole Miss war.«
»Hat sie?«
»Woher soll ich das wissen? Ich bezweifle es allerdings. Evie ist nicht mal aus Natchez – sie kommt von irgendwo auf der anderen Seite des Flusses. Ich glaube, sie hat ihren Abschluss auf einem Junior College gemacht. Ja, genau, das hat sie mir erzählt. Mallory war eine ganz andere Klasse als Evie, John. Obwohl ich das nur sehr ungern zugebe.«
»Warum gibst du es nur ungern zu?«
»Weil Mallory es hasste, wenn ich in ihrer Nähe war. Sie hasste alles und jeden leidenschaftlich, der sie auch nur fünf Sekunden deiner Gegenwart beraubte. Erinnerst du dich, wie schlimm es war, als sie durchdrehte? Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, aber sie hätte beinahe dein Leben zerstört. Dieses Miststück – entschuldige, diese Frau – ist tot. Und jeder scheinbare Beweis des Gegenteils sagt mir nur, dass mein bester Freund die Kontrolle verliert.«
Waters unterdrückte die bestürzenden Bilder, die Coles Worte heraufbeschworen hatten. »Ich war noch nie auch nur nahe daran, die Kontrolle zu verlieren.«
Cole nickte nachsichtig. »Nicht seit Mallory. Aber jeder stößt mal an seine Belastbarkeitsgrenze. Du bist es gewöhnt, dass alle deine Enten in einer Reihe stehen. Dein ganzes Leben ist geordnet. Jetzt flattert alles, was du hast, in der Luft herum. Kann sein, dass wir in einem Monat völlig pleite sind. Das muss dich doch beunruhigen.«
»Das streite ich ja gar nicht ab. Aber deshalb habe ich noch lange keine Halluzinationen.«
»Das weißt du nicht. Du bist nie über Mallory hinweggekommen, John. Du hattest es beinahe geschafft, aber dann wurde sie ermordet und fing an, dir Leid
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