Ewiger Schlaf: Thriller
Cole gesagt. Weniger Komplikationen ...
»John? Mensch, es ist eine Ewigkeit her!«
Waters drehte sich um. Ihm gegenüber stand ein Mann, der etwa sein Alter und seine Statur hatte und ein Weinglas in der Hand hielt. Penn Cage war ein tüchtiger Staatsanwalt, der inzwischen Romane schrieb – die Juristerei hatte er aufgegeben, als seine Bücher Bestseller-Status erreichten. Penn und Waters hatten unterschiedliche Schulen besucht (Penns Vater war Arzt; daher hatte er, genau wie Cole, Lily und Mallory, die teure St. Stephens-Privatschule besucht), doch Penn war ihm niemals mit jener Arroganz begegnet, die andere St. Stephens-Schüler gegenüber Kindern von der öffentlichen Schule an den Tag legten. Penn war in der gleichen Pfadfindergruppe gewesen wie Waters und Cole, aber nur Penn und Waters hatten es bis zum Adlerabzeichen gebracht, bevor sie die Ole Miss verließen. Sie hatten einander nicht oft gesehen, seit Penn von Houston, wo er sich seinen guten Ruf als Jurist erworben hatte, wieder nach Natchez zurückgekehrt war, doch es gab eine gewisse Verbundenheit zwischen ihnen: Sie waren Jungen aus derselben Stadt, beide so erfolgreich, dass sie die Träume ihrer Eltern übertroffen hatten, und sie fühlten sich in der Gegenwart des anderen wohl.
»Ja, ist lange her«, sagte Waters. »Ich habe an einer Quelle gearbeitet.«
»Und ich arbeite an einem Buch«, erwiderte Penn. »Heute Abend haben wir wohl beide eine Pause gebraucht.«
Waters lachte leise. »Ich hab meine Pause schon. Wir hatten eine trockene Bohrung. Vor zwei Tagen. Es scheint, als wüsste schon jeder davon.«
»Ich nicht, ich bin Einsiedler.« Penn lächelte, senkte aber die Stimme. »Von deinen Problemen mit der Umweltbehörde habe ich allerdings gehört. Wird es gut für euch ausgehen?«
»Ich weiß es nicht. Sobald die Umweltbehörde uns mitteilt, wessen Ölquelle Salzwasser leckt, werden wir wissen, ob wir noch im Geschäft sind oder nicht.«
»Könnten die Bereinigungskosten euch denn ruinieren?«
»Du weißt nicht mal die Hälfte.« Waters dachte an die unbezahlte Haftpflichtversicherung. »Aber was soll’s, ich habe schon einmal bei null angefangen. Ich kann ein zweites Mal nach oben kommen, wenn es sein muss.«
Penn legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Manchmal glaube ich, dass wir uns eine Katastrophe wünschen, damit wir den alten Kampf wieder kämpfen können. Wieder zeigen können, wer wir sind.«
»Und wer sind wir?«
»Wir selbst, natürlich.« Penn lächelte wieder, und Waters lachte, trotz der Sorgen, die das Thema Umweltbehörde in ihm wachgerufen hatte.
Penn neigte den Kopf in Richtung Veranda. Zwei Männer, die auf dem schmiedeeisernen Geländer gelehnt hatten, gingen fort, und Waters sah Penns Freundin zu ihnen schauen, Caitlin Masters. Sie war schlank und geschmeidig, hatte pechschwarzes Haar und einen Ausdruck steter Belustigung in den Augen. Sie war zehn Jahre jünger als Waters und Cage und von Boston hierher gezogen, um die Lokalzeitung auf Vordermann zu bringen. Weil ihr Vater die Zeitungskette besaß, hatten viele Bewohner von Natchez anfangs über die Vetternwirtschaft geschimpft. Aber es dauerte nicht lange, bis niemand mehr leugnen konnte, dass die Qualität der Berichterstattung im Examiner seither doppelt so gut geworden war.
»Caitlin scheint ein tolles Mädchen zu sein«, bemerkte Waters.
»Das ist sie.«
Während Penn Caitlin zusah, wie sie zwei gespannt lauschenden Anwälten eine Geschichte erzählte, betrachtete Waters seinen alten Pfadfinderkameraden. Penn war durch das Schreiben juristischer Thriller berühmt geworden, aber er hatte auch einen »echten Roman« geschrieben, Unter Verschluss. Er spielte in Natchez, und die Charaktere des Buches basierten auf Menschen, mit denen Waters aufgewachsen war. Die versteckten Beziehungen, die in dem Roman eine Rolle spielten, hatten ihn eine Woche lang in Erinnerungen schwelgen lassen. Livy Marsten – die Femme Fatale aus Unter Verschluss – war von Lynne Merrill inspiriert, einer der beiden großen Schönheiten ihrer Generation (die andere war Mallory Candler); Penn hatte sich von Lynne offensichtlich ebenso wenig befreien können wie Waters von Mallory. Hatte Penn eine ähnliche Erfahrung gemacht wie er selbst auf dem Fußballplatz?, fragte er sich. War Unter Verschluss eine Art Exorzismus für ihn gewesen?
»Wo ist Lynne Merrill zurzeit?«, fragte er.
Penns Lächeln gefror, doch er erholte sich rasch und versuchte, seine Verwunderung zu
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