Ewiger Schlaf: Thriller
Mädchen.«
»Wollte Mallory das Baby, wusste aber in ihrem Innern, dass sie es nicht behalten konnte?«
»Ich glaube, das kommt der Sache ziemlich nahe. Meiner Meinung nach hätte sie nicht damit umgehen können, ihre Eltern so zu enttäuschen, obwohl sie ihren Vater bis zu einem gewissen Grad gehasst hat. Aber sie wollte, dass ich das Baby wollte. Verstehst du?«
»Ja.«
»Dann fängt die Beraterin an, über Adoption zu sprechen. Mallory wollte das nicht hören – ich auch nicht. Wir konnten nicht mit der Vorstellung umgehen, dass irgendwo auf der Welt ein Teil von uns existiert und wir nicht wissen, wo. Es ist herzlos und selbstsüchtig, so zu denken, ich weiß, aber es war der einzige Punkt, in dem wir uns einig waren.«
»Und nach dieser Beratung?«
»Man musste sieben Tage warten, bis man den Eingriff vornehmen lassen konnte. Eine qualvolle Zeit der Selbstbesinnung. Diese sieben Tage waren die Hölle. Mallory ging nicht mehr zum Unterricht. Ihrer Miene sah man nichts an, aber sie hatte sich nur mühsam im Griff. An einem Tag wollte sie die Abtreibung, am nächsten wollte sie, dass wir zusammen nach Kanada fliegen, das Baby bekommen und wie Aussteiger leben.«
»Warum hat sie sich letztlich doch für die Abtreibung entschieden?«
Waters ließ den Blick wieder aus dem Fenster schweifen und wünschte sich, diese Wahrheit nicht aussprechen zu müssen. »Ich hatte einen Teufelspakt geschlossen. Ich musste ihr etwas versprechen – mitten in der Nacht, während wir im dunklen Auto vor ihrem Verbindungshaus saßen. Ich musste ihr versprechen, dass ich sie niemals verlasse, wenn sie das Baby wegmachen ließe. Niemals. Und sie meinte es so.«
»Und du hast es versprochen?«
»Ja.«
Penn seufzte tief. »Erzähl weiter.«
»Eine Woche später waren wir wieder in Memphis. Mallory war schrecklich angespannt. Ich glaubte, sie würde nicht klarkommen. Die ganze Sache sollte ein Geheimnis bleiben, doch bei der Anmeldung in der Klinik fragte man Mallory nach der Telefonnummer der Eltern ... nach allem Möglichen. Falls etwas schief ginge, hieß es, falls sie Blutungen bekäme, müssten die Angehörigen verständigt werden.« Waters hatte immer noch den hotelartigen Geruch der Klinik in der Nase. »Mallory gab ihnen die Nummern. Mir sagte man, es würde mindestens zwei Stunden dauern, bis ich sie wiedersehe.«
»Was hast du getan?«
»Ich habe versucht, in dem Wartezimmer zu bleiben, diesem sterilen Raum voller Frauen – außer mir waren nur noch zwei Männer da –, doch ich verlor die Nerven. Ich konnte nicht fassen, wo ich war und was mit Mallory geschehen würde. Ich ging zum Fahrstuhl, fuhr zehn Stockwerke nach unten und rannte hinaus ins Tageslicht. In diesem Augenblick wurde mir zum ersten Mal klar, dass schreckliche Dinge passieren konnten, während die Sonne vom blauen Himmel scheint und die Leute fröhlich Picknicks machen. Jedenfalls, vor dem Gebäude war ein Burger King. Ich ging hinein und bestellte mir einen Cheeseburger. Ich wusste, was Mallory durchmachte – dafür hatte die Beraterin gesorgt –, und mir wurde schlecht. Ich nehme an, ich wurde erwachsen. Ich lernte, dass jedes Tun Konsequenzen hat.«
Penn hörte zu wie ein geduldiger Priester; er registrierte aufmerksam jeden Hinweis und ermunterte Waters, wenn dieser Motivation benötigte. »Erzähl weiter.«
»Ich war sicher, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Mallory würde Blutungen bekommen, vielleicht sogar sterben. Ich hatte die schreckliche Gewissheit, dass alles ganz und gar schief geht.«
»Und ging es schief?«
»Nicht an diesem Tag. Als Mallory herauskam, war sie wie ein Zombie. Sie stand unter Schock. Am nächsten Tag bekam sie Blutungen. Ich brachte sie in die Notaufnahme von Oxford, wo man ihr sechs Antibabypillen gab. Das stoppte die Blutung, aber dieses Erlebnis war zu viel für sie. Von da an ging alles bergab.«
»Inwiefern?«
»Sie wurde nie wieder wie früher. Sie reagierte nicht so, wie man es hätte erwarten können, verstehst du? Als meine Frau das Baby verlor, da verlor sie auch ihr sexuelles Verlangen. Bei Mallory war es umgekehrt. Sie war wie ausgehungert. Sie trieb es ständig bis zum Äußersten, als versuche sie, mit Hilfe von Sex die Dämonen in ihrem Kopf auszutreiben. So war sie immer schon gewesen, aber jetzt wurde es Furcht erregend. Tu dies, tu das. Tu mir weh. Vergewaltige mich. Ich habe Dinge getan, die ich als erniedrigend empfand – und ich bin wirklich nicht prüde.«
Penn nickte langsam.
Weitere Kostenlose Bücher