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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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für den Mallory ihre Maske abnahm. Sie gab sich völlig in meine Hände, zeigte mir die dunkelsten Seiten ihrer Persönlichkeit. Wenn man sich einem anderen Menschen so weit geöffnet hat, und dieser Mensch weist einen zurück ...« Waters hielt inne. Mallorys Gesicht, verlassen und kalt, tauchte vor seinem geistigen Auge auf. »Ich habe mal eine Talkshow mit Oprah Winfrey gesehen«, fuhr er dann fort, »in der verstörte Eltern über ihre Kinder im College-Alter sprachen – Kinder, die nicht über eine Romanze hinweggekommen waren. Manche hatten Selbstmord begangen, anderen gelang es einfach nicht, wieder ihr altes Leben weiterzuführen. Die Eltern konnten ihnen auch nicht helfen, nicht einmal zu ihnen durchdringen. Sie verstanden nicht, warum ihre Liebe das Leid ihrer Kinder nicht wenigstens zum Teil lindern konnte. Und es waren intakte Familien.«
    »Und das erinnerte dich an Mallory?«
    »Manche dieser Eltern haben Mallory genau beschrieben. Aber ich kannte die Antwort, die sie nicht sahen – nicht mal der Seelenklempner in der Talkshow erkannte den wahren Grund. Wenn eine junge Frau sich völlig in die Hände eines Mannes begibt – sexuell und in jeder anderen Hinsicht –, offenbart sie ihm Teile ihrer Persönlichkeit, die ihre Eltern nie gesehen haben und auch nie sehen werden. Der Mann weiß alles über sie, auch Dinge, für die sie sich vielleicht ihr Leben lang geschämt hat. Doch der Mann liebt sie trotzdem. Vielleicht gerade wegen dieser Dinge. Aber wenn er sie dann verlässt, wenn er sie nicht mehr liebt, ist die Zurückweisung unerträglich. Verstehst du? Die Liebe ihrer Eltern kann das Mädchen auf keinen Fall trösten, denn ihre Eltern kennen sie ja nicht wirklich. Und das Mädchen sagt sich: Würden meine Eltern mich so kennen, wie er mich kennt, würden sie mich auch nicht lieben. Und das führt sie an den Rand des Selbstmords.«
    Penn schien fasziniert von dieser Theorie. »Und du hast Mallory zurückgewiesen?«
    »Ja.«
    »Sag mir, was passiert ist.«
    »Sie wurde schwanger.«
    »Wann?«
    »In meinem zweiten Studienjahr – ihrem ersten.«
    »Wie lange wart ihr damals zusammen?«
    »Sechs Monate.«
    »Sie ließ abtreiben?«
    Waters nickte.
    »Jackson? Memphis?«
    »Memphis.«
    »Wollte sie die Abtreibung?«
    »Ich glaube nicht, dass irgendeine Frau wirklich eine Abtreibung will.«
    »Da hast du sicher Recht. Aber sie stimmte zu, dass es notwendig war?«
    »Sie hat es getan.«
    Penn sann über diese Antwort nach. »Du hast sie überredet.«
    »Ich denke nicht gern darüber nach, und vielleicht habe ich es vor mir selbst lange Zeit nicht zugegeben. Aber es stimmt – im Grunde habe ich sie dazu gebracht.«
    Penn nickte verständnisvoll. »Bist du mit ihr zu dem Eingriff gefahren? Bist du vorher, während des Eingriffs und hinterher bei ihr geblieben?«
    »Ja.«
    »Erzähl mir davon. Was ist dir am deutlichsten im Gedächtnis geblieben?«
    Waters musste nicht überlegen. »Man konnte nicht einfach hinfahren und es machen lassen. Zuerst musste man zu einer Beratung. Dieses riesige, unpersönliche Gebäude auf der Union Avenue ... es sah aus wie ein Bürokomplex. Das Wartezimmer war voller Mädchen. Wir konnten hören, wie sie sich unterhielten. Für manche war es die zweite oder dritte Abtreibung – wir konnten es nicht fassen. Wir kamen uns schrecklich dumm vor, weil wir einmal in diese Situation geraten waren, und diese jungen Frauen sprachen über Abtreibung, als wäre sie eine Form der Verhütung. Mallory fühlte sich schäbig, allein schon, weil sie dort war. Sie hasste es.«
    »Erzähl weiter.«
    »Man führt uns in ein Zimmer, in dem eine ältere Frau in einem Rollstuhl sitzt. Sie fragt uns aus. Warum wir Sex haben. Ob wir uns bewusst sind, was ›Sex haben‹ bedeutet. Es war ... verrückt. Dann fragt sie, warum wir das Baby abtreiben wollen. Warum wir nicht heiraten und warum Mallory das Kind nicht zur Welt bringt.«
    »Mallory wollte es definitiv nicht?«
    »Penn, erinnerst du dich daran, wie die Ole Miss zu unserer Zeit war?«
    »Sicher. Reagan im Weißen Haus, junge Republikaner auf dem Campus. Konformität war die Religion. Man trug Golfhemden, an den Knöcheln hochgekrempelte Levis und weiße Leinen-Nikes mit hellblauem Streifen. Die frühen Achtziger an der Ole Miss waren eine Art superreicher Version der Fünfziger.«
    »Genau. Wir wuchsen in den Siebzigern auf, mit Gras und Sex und Rock ’n’ Roll, aber in Oxford herrschte immer noch die alte Doppelmoral. Besonders für die

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