Ewiges Verlangen
weiteren ein Alkoven. Sara schlug das Herz einen Moment bis zum Hals, und sie fragte sich erneut, wo sie war – wenn sie noch in New York war. Sie wandte sich den Fenstern zu und sah in der Dunkelheit die Skyline der Stadt.
Kein Krankenzimmer. Sie befand sich in einem Privathaus. Wie war sie hierhergelangt? Wer brachte sie …
Sie hielt inne, da ihr Geist nun rasch aufeinanderfolgende Bilder projizierte, die sie erst allmählich verstand. Dann überfiel sie die Erinnerung wie ein Strom, der aus seiner Felsbeschränkung bricht. Als sie ihr Gesicht berührte, spürte sie die Anschwellung unter ihren Fingerspitzen und zuckte zusammen. Sie erinnerte sich wieder an alles, und ihr Herz schlug schneller. Der Mann auf dem Boden, das Handy, Tom in ihrem Apartment, Toms Grimasse, seine Faust, bereit zuzuschlagen …
Oh Gott. Was wäre, wenn Tom sie hierhergebracht hatte?
Sie blickte sich nach einem Telefon um, aber sie sah keines. Wo war ihr Handy?
Keine Panik, Sara. Verschwinde einfach schleunigst von hier.
Sie schlug die Bettdecke zurück und stellte die Füße auf den Boden. Ihr Kopf fühlte sich wie ein steinerner Ballon an, aufgedunsen und schwer. Sie vermisste ihre Jacke und ihre Handschuhe, aber ihre Schuhe standen ordentlich nebeneinander vor dem Bett. Sie zog sie an. Sie musste zum Krankenhaus gelangen, oder zur Polizei, irgendwohin, wo sie sicher war.
Sie erhob sich. Ihre Beine fühlten sich haltlos und unmöglich zu kontrollieren an, während sie durchs Zimmer zum Fenster wankte. Es gab keinen Weg hinaus, keine Feuerleiter. Sie wandte sich um und ging zur Tür. Sie biss die Zähne gegen die Wogen der Übelkeit zusammen, die in ihr aufstiegen, umfasste den Knauf und drehte ihn. Als sie die Tür unverschlossen fand, machte ihr Herz angesichts des kleinen Sieges einen Satz. Sie zog die Tür weit auf und stolperte hinaus.
Der Flur war lang und breit. An den Wänden hingen Kunstwerke, auf den Böden lagen Teppiche, und antike und moderne Skulpturen thronten auf wuchtigen Konsolentischen. Dem ersten Eindruck nach zu urteilen schien das Haus aufwändig eingerichtet zu sein und hatte Ähnlichkeit mit einem Museum. Wo war sie? In Brownstone? In einem Lager? Das konnte nicht Toms Wohnung sein. Er passte nicht hierher. Außerdem hatte er sein Apartment als »Ein-Zimmer-Loch« beschrieben.
Sie schaute nach links, dann nach rechts und dann den unglaublich langen Flur hinab. Dort sah sie sie: eine Treppe, die zu einem Ausgang führen musste. Sie zwang sich weiterzugehen, obwohl ihr Kopf heftig pochte. Nur ein paar Schritte, sagte sie sich. Aber bald wurde ihr schwindelig, und sie musste sich an der Wand abstützen.
Geh die Treppe hinunter, hinaus an die Luft, wo du atmen kannst.
Sie hörte etwas. Zuerst dachte sie, es sei ihr Herz, das in der Brust pochte. Aber das Geräusch kam näher.
Jemand kam die Treppe herauf.
Tom.
Entsetzen kam in ihr auf, aber sie unterdrückte den Schrei, der ihr in die Kehle stieg. Sie war vielleicht verletzt und schwankte wie eine Betrunkene, aber sie würde ihn nicht an sich heranlassen. Sie fuhr herum und wollte den Flur in der entgegengesetzten Richtung hinablaufen. Ihr Gesicht pochte, und Benommenheit umfing sie erneut. Nur wenige Schritte nach dem Raum, dem sie gerade entflohen war, verlor sie den Halt, fiel gegen einen kleinen Holztisch und schrie vor Schmerz auf, als die Ecke des Tisches in ihre Rippen stach. Tränen brannten in ihren Augen. Sie hörte jemanden den Flur entlangkommen, und Panik durchströmte sie. Sie würde nicht so sterben, verdammt – außerstande zu fliehen oder zu kämpfen, in einem fremden Haus, mit einem ehemaligen Stalker-Patienten, der sie töten wollte.
Sie richtete sich auf Hände und Knie auf. Sie musste hier raus, zurück zum Krankenhaus. Gray. Er hatte doch nur sie …
»Verdammter Nicholas. Er hätte diesen Menschen nur lange genug festhalten müssen, bis er wieder bei Verstand gewesen wäre.«
Sara erstarrte. Die von der Treppe erklingende Stimme gehörte einem Mann, aber es war nicht Toms Stimme. Wer …
»Nicholas sagte, die Polizei patrouilliert in dem Gebiet.« Eine weitere Stimme, dieses Mal eine Frau. »Er hat es richtig gemacht, als er sich zurückhielt.«
Sara kroch vorwärts, eng an die linke Wand gedrängt. Vielleicht arbeiteten diese Leute mit Tom oder für ihn. Sie atmete flach und angespannt, während sie weiter vorankroch. Wenn sie nur einen Raum mit einer Feuerleiter finden könnte …
»Oh verdammt«, schimpfte der Mann mit
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