Ewigkeit
sie aneinander und sagte: »Es gibt keinen Ort wie die Heimat.«
Ram Kikura verschwand.
Eine objektive Stunde später legte Karen in ihrem derzeitigen Apartment einen seidenen Kimono an, den ihr vor dreißig Jahren eine Gruppe Überlebender in Japan geschenkt hatte. Dann legte sie sich auf einer Couch auf den Rücken mit einem Glas kühlen Thistledown Chardonnay, während im Hintergrund leise ein Quartett von Haydn ohne Piktorbegleitung erklang. Die Ausstattung des Apartments war so umgestaltet, daß es wie eine offene Terrasse wirkte, die den Strand einer tropischen Insel überblickte. Über den weiten, strahlend blauen Himmel zog der Rauch eines Vulkans, dessen Fahne sich mit Ballen weißer Wolkenköpfe mischte. Warme, salzige Brisen spielten über ihrem Korbsessel.
Sie hätte das City-Gedächtnis nie verlassen können, so vollständig war die Illusion; aber da war eine gewisse Sensation, ein Wissen, daß ihr Körper getäuscht und gereizt wurde und nicht bloß ihr Geist. Das war eine strittige Unterscheidung. So viele Unterscheidungen waren strittig auf Thistledown.
Wir sind alle solche Kinder! dachte sie, nippte an ihrem Glas und betrachtete den fernen Vulkan. Vielleicht hat Garry recht, wenn er alles hinschmeißt und das Alter auf sich zukommen läßt. Vielleicht sind wir nach vierzig Jahren alle ausgebrannt, und er ist als einziger ehrlich.
Der Zimmerdienst läutete melodisch. Sie lehnte sich zurück und sagte lässig: »Ja?«
»Zwei Männer möchten mit Ihnen sprechen, Ser Lanier. Der eine ist Ihr Gatte, und der andere ist Pavel Mirsky.«
Sie fuhr unwillkürlich zusammen. Wenn man vom Teufel spricht… »Stell die Inseln ab und gib mir die Standardeinrichtung!« Veranda, Strand, Vulkan und Ozean verschwanden und wurden durch ein kleines, in klassischer Hexamon-Kargheit ausgestattetes Zimmer ersetzt. »In Ordnung.«
Garry erschien mitten im Raum. »Hallo, Karen!«
»Wie geht es dir?« Sie befingerte ihr kühles Weinglas, gleichzeitig erfreut, ihn zu sehen – sie hatte ihren Kummer nicht überwunden –, und seltsam irritiert. Aber ihr stilles Zerwürfnis existierte schon so lange, daß sie ihn nicht ihre Emotionen wissen lassen wollte. Das war ihr Panzer.
»Mir geht es gut. Ich habe an dich gedacht.«
»Ich habe mich gefragt, ob du hier oben wärest«, sagte sie abwehrend und bemüht, ihre Stimme weich zu halten.
»Ich wollte schon vorher mit dir reden, mochte aber nicht eure Konferenz stören.«
»Also bitte.« Ihr kam ein Bild in den Sinn von jemand, der sie jetzt ähnlich zu sein wünschte: Bette Davis, die amerikanische Schauspielerin des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, kühl und zänkisch, gewappnet, aber begehrenswert. Aber das würden die Piktographen für sie nicht schaffen.
»Wir müssen mit Suli Ram Kikura sprechen.«
»Sie befindet sich noch im City-Gedächtnis und hindert die Hühner daran, aufeinander einzuhacken.«
»Probleme?«
»Garry, es läuft nicht gut.« Sie schaute von dem Bild weg und merkte, daß sie ihren Finger im Wein stecken hatte. Sie zog ihn heraus und setzte das Glas ab. »Ich ruhe mich aus. Was ist mit Mirsky? Was geht da vor?« Da war also doch die Neugier herausgeplatzt.
»Hast du die Verhandlungen im Nexus verfolgt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es wird sehr große Schwierigkeiten geben.« Er erklärte die Situation.
Die Zeit war gekommen, die Gangart zu wechseln. Dies war kein reiner Privatbesuch. Aber der Wechsel kam nicht so leicht. »Das klingt überhaupt nicht nach dem Nexus. Ohne die Erde zu konsultieren?«
»Mirsky hat uns einige erstaunliche Dinge erzählt«, sagte Lanier. »Offen gesagt, mag ich es nicht, wenn der Nexus sein Ersuchen ablehnt. Ich halte es für eine sehr schlechte Idee, den Weg wieder zu öffnen und offen zu lassen.«
»Suli hat seine Geschichte nicht gehört?«
»Nein.«
Sie dachte rasch nach und ließ ihre Konflikte einstweilen in der Schwebe. Sie waren fast wieder ein Team, das gemeinsam an einem Problem arbeitete. Irgend etwas hatte sich mit ihrem Gatten verändert. Was hatte Mirsky ihm – ihnen allen – angetan? »Sehr wohl. Ich werde sie im City-Gedächtnis erreichen und ihr sagen, daß es dringend ist. Dann werde ich eine Zusammenkunft ansetzen. Wo bist du?«
»Unterkünfte in der Nexus-Kuppel.«
»Mirsky… ist er wirklich Mirsky?«
»Ja.«
Diese eindeutige Antwort ließ keine Diskussion zu. Sie kannte Lanier gut genug, als daß sie dächte, er hätte leichtfertig ein solches Urteil gefällt. Irgendwie zu
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