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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mittelgroß geworden, obwohl ihre Schultern sich etwas verbreitert hatten. Sie hatte die ruhige körperliche Stärke ihres Vaters geerbt, wie auch seine langfingerigen Hände und langen Beine.
    Rhita hatte Alexandreia nur zweimal besucht, beide Male, ehe sie zehn Jahre alt war. Ihre Mutter Berenike hatte es für am besten gehalten, ihr einziges Kind in der Nähe des Hypateions zu halten und entfernt von den großstädtischen Verführungen der Zentralstadt der Oikoumene.
    Berenike war eine eifrige Schülerin von Patrikia gewesen und hatte Rhamon geheiratet, den jüngsten Sohn der Sophe, mehr aus Pflichtgefühl als aus Liebe. Sie hatte ihre Tochter glühend geliebt und in ihr ein junges Bild von Patrikia selbst erblickt. Im Aussehen sah Rhita indessen eher ihrer Mutter ähnlich als ihrer Großmutter.
    Jetzt, da ihre Mutter seit einem Jahre und Patrikia fast neun Jahre tot waren, und ihr Vater noch immer in den Kampf um die Leitung der Akademeia verwickelt – in den Wettbewerb mit theokratischen Elementen, die ihre Großmutter offen verabscheut hatte –, hatte sie es für das beste gehalten, ihre Talente und ihr Wissen dorthin zu bringen, wo sie am besten genützt werden könnten. Falls die Akademeia ablehnte, würde sie sich anderswo aufhalten, vielleicht, um ein neues Hypateion zu gründen.
    Diese ihre Sorgen standen bei ihr aber nicht im Vordergrund. Sie ließen sie sich fast bequem und sicher fühlen im Vergleich mit ihrem Hauptanliegen.
    Seit sechzig Jahren hatte Patrikia nach einer schwer faßbaren Öffnung zu einem Ort gesucht, den sie den Weg nannte. Dies Tor hatte sich als flüchtig erwiesen, indem es zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen der Welt erschienen war, lange genug, um anzulocken, aber nie präzise zu lokalisieren. Patrikia war gestorben, ohne es gefunden zu haben.
    Rhita wußte jetzt genau, wo sich das Tor befand. Es hatte seit mindestens drei Jahren eine feste Position innegehabt. Dieses Wissen tröstete sie aber nicht. Sie hatte sich an ihre Rolle gewöhnt, obwohl sie ihr nicht recht behagte.
    Das Wissen vom Tor hatte sie um ihr eigenes Leben gebracht. Ihrer Meinung nach hatte die Großmutter einem jungen Mädchen eine fast unmögliche Bürde auferlegt, indem sie das Instrument so einstellte, daß es ihre – nur ihre – Berührung erkannte.
    Vielleicht war Patrikia in jenem Jahr vor ihrem Tod ein wenig verrückt gewesen. So oder so hatte sie ihrer Enkelin eine schreckliche Verantwortung übertragen.
    Alles andere – ihr Antrag zum Studium am Mouseion, ihr Privatleben, alles – war gegenüber ihrem Wissen zweitrangig.
    Sie hatte es nicht einmal ihrem Vater gesagt.
    Rhita hatte auf ein ruhiges Leben gehofft, aber während sie zusah, wie der Meeresvogel einen Flügel putzte, wurde ihr klar, daß das nicht möglich war, nicht in dieser Welt. Sogar ohne die Objekte würde das Leben an der Akademeia hart werden. Alles, was sie liebte und was ihr vertraut war, lag hinter ihr, jenseits des schwarzblauen Meeres.
    Sie trug ihr Schlüsselbein und die Lebenserhaltungsmaschine in einem großen verschlossenen Koffer. In einem kleineren hatte sie auch die ›Schiefertafel‹ ihrer Großmutter, ein elektronisches Tablett, auf dem man lesen und schreiben konnte. Diese Dinge wurden in ihrer Kabine von Lugotorix bewacht, ihrem keltischen Leibwächter. Dieser hatte sich der Abscheu der Sophe vor Waffen und Krieg gebeugt und war deshalb unbewaffnet, aber dennoch kaum weniger tödlich. Rhamon war bei aller pazifistischen Einstellung des Hypateions ein praktischer Mann und gelegentlich überraschend listenreich und weltlich. Lugotorix wurde sein Dienst in Gütern bezahlt, die wertvoller waren als Geld. Seine beiden Brüder studierten jetzt an der Akademeia. Bei einer solchen Ausbildung könnten sie vielleicht die Vorurteile überwinden, welche Leute keltischer Abstammung seit Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts behinderten.
    Rhita empfand eine ständige, unaufdringliche Verbindung mit dem Schlüsselbein. Wenn ihm etwas passierte, würde sie das wissen und wahrscheinlich auch imstande sein, es zu finden, wohin es auch gebracht sein mochte. Mit Lugotorix als Wächter würden allerdings nicht viele wagen, es zu nehmen. Aber nicht einmal der Kelte wußte, was er da behütete.
    Zu passender Zeit würde Rhita die Königin Kleopatra um eine Audienz ersuchen. Sie würde ihr Beweismaterial vorlegen.
    Was danach geschehen mochte, darüber machte sie sich jetzt noch keine Gedanken.
    Nachdem sie vorerst

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