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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Christchurch und die orbitalen Bezirke. Er hatte dieses Studio seit sechs Monaten nicht mehr betreten.
    Lanier wurde durch sein Nackenhaar ständig an die Gegenwart seines Gastes auf der Straße neben ihm erinnert. Sie stiegen die Stufen des Hügels empor, wobei Laniers Muskeln schon schmerzten, und standen auf der breiten, überdachten Veranda, als Lanier die unverschlossene Tür öffnete. Er wußte nicht, ob Karen zurückgekommen war oder nicht. Sie blieb oft, wenn sie mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt war, über Nacht oder länger in Christchurch oder einem nahegelegenen Dorf. Es kümmerte ihn wirklich wenig, daß sie einen oder mehrere Liebhaber haben könnte (obwohl es ihn verdrossen hätte, wenn sie mit Fremont ins Bett gegangen wäre); und außerdem war Lanier nie für jene Art von Eifersucht anfällig gewesen. Sex gehörte zu seinen schwächeren Leidenschaften.
    Sie war nicht daheim. Das erleichterte ihn; denn er wußte nicht, wie er ihren Besuch beschreiben oder erklären würde. Dennoch empfand er beim Blick in das leere Haus einen kurzen scharfen Stich von Kummer. Sie hatten in den letzten paar Jahren soviel verloren, fast alles, was sie in den harten, grausamen Jahren der Wiederherstellung getröstet hatte.
    »Komm bitte herein!« forderte er ihn auf. Im Zuge der Jahre hatte er den präzisen, fast oxfordartigen englischen Stil von Karen angenommen. Mirsky, oder wer immer dieser Mann wirklich war – Lanier hatte eine Erklärung, die fast so lächerlich war wie die des Besuchers selbst –, wischte sich die Stiefel auf der Matte der Veranda ab und trat ein. Er lächelte vergnügt über die Altertümlichkeiten des Hauses.
    »Ein wirklich feines Heim«, sagte er. »Du lebst hier seit…?«
    »Zwischen Missionen seit zweitausendsieben.«
    »Allein?«
    »Meine Frau und ich. Wir hatten eine Tochter. Die haben wir verloren. Sie ist tot.«
    »Ich bin in einem normalen Haus nicht mehr gewesen seit…« Mirsky zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf. »Kannst du von hier aus zu Olmy und Korzenowski sprechen?«
    Lanier zog teils die Achseln hoch, teils nickte er. »In meinem Studio, hinten im Hause.«
    Lanier zögerte an der geschlossenen Tür des Studios und warf einen Blick zurück auf den Mann. Seine Theorie, die jede Minute überzeugender wurde, war, daß dieser Bursche in der Tat Mirsky ähnelte, aber nicht Mirsky war – nicht sein konnte. Irgendwer hatte ein Duplikat geschaffen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wer. Wie würde er es Olmy oder Korzenowski erklären, oder sonst jemandem? Sie mußten einfach selbst schauen.
    »Komm herein!« lud er ein, öffnete die Tür und setzte einen leichten Geruch von Staub und abgestandener, kühler Luft frei.
    Von diesem Raum aus hatte Lanier nach seiner offiziellen Pensionierung gearbeitet, um diejenigen, die in seine Fußstapfen treten wollten, zu beraten und zu führen. Karen hatte gewünscht, daß sie beide ihre volle aktive Tätigkeit fortsetzen sollten, aber er hatte abgelehnt. Er hatte genug gehabt. Vielleicht war das der Anfang ihrer Entfremdung gewesen. Noch mehr unangenehme Erinnerungen stellten sich wieder ein, als er auf die Projektoren und die Steuerkonsole starrte, die in die Südwand des Raumes eingebaut waren. So viel Elend und Jammer mitgeteilt, so viele Missionen hier angesetzt, die zu der Diagnose oder der Behandlung so vieler unbeschreiblicher Schrecken geführt hatten.
    Mirsky trat ins Zimmer. »Deine eigene Erdstation. Sehr wichtig für dich selbst jetzt noch?«
    Lanier zuckte leicht die Achseln, als ob er all das loswerden wollte. Er setzte sich an die Konsole und aktivierte sie. Es bildete sich ein laufendes rotes Piktogramm und löste sich dann auf in ein lebendiges Bild der Erde vom Stein aus gesehen, gehüllt in eine Schlinge von DNS. Eine sanfte simulierte Stimme fragte: »Welcher Service, bitte?«
    »Ich muß mit Olmy sprechen. Individuelle Priorität. Oder mit Konrad Korzenowski. Einem davon oder beiden.«
    »Ist diese Mitteilung offiziell oder persönlich?«
    »Persönlich«, antwortete Lanier.
    Das laufende Statusbild kam wieder, ein wundervoller sphärischer Schwarm aus verschlungenen roten Fäden.
    »Willst du mit ihm persönlich sprechen?« fragte Lanier Mirsky. Der Mann nickte. Lanier hob die Augenbrauen und sah wieder auf das Piktogramm. Noch verdächtiger. Aber wer konnte oder wollte einen Mord planen? Solche Dinge waren in der Politik des Hexamons nicht unerhört – zumindest nicht in letzter Zeit –,

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