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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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jugendliche Vierzigerin.
    »Ich bin in der Stadt gewesen«, rief sie auf chinesisch und zerrte ihren Gepäcksack hinten aus dem Vehikel. »Wir richten ein künstliches soziales Netz ein, damit…« Sie erblickte den Russen, biß sich auf die Unterlippe und blieb auf den Stufen stehen. Sie schaute über die Schulter zum Weg. Keine anderen Fahrzeuge. Dann fragte sie Lanier mit hochgezogener Braue.
    Er sagte: »Dies ist ein Besucher. Er heißt Pavel.«
    »Wir sind uns noch nicht begegnet«, sagte der Russe, trat vor und streckte die Hand aus. »Ich bin Pavel Mirsky.«
    Karen lächelte zwar höflich, aber ihr Instinkt war alarmiert.
    »Wie geht es euch?« fragte sie und wandte den Blick zu ihrem Gatten. Sie schaute zwischen beiden mit gerunzelter Stirn rasch hin und her.
    »Mir geht es gut. Sein Name«, wiederholte Lanier mit absichtlicher Dramatik, »ist Pavel Mirsky.«
    »Ich kenne den Namen«, sagte sie. »War das nicht der russische Befehlshaber auf dem Stein? Ist mit den Bezirken den Weg herab gekommen… nicht wahr?« Ihr Blick fiel anklagend auf Lanier. Was ist das? Sie hatte in historischen Aufzeichnungen Bilder von Mirsky gesehen. Das Spiel ging los. Sie erkannte ihn wieder. »Sie sehen genauso aus wie der.«
    »Ich hoffe, daß ich Sie nicht gestört habe«, sagte der Russe.
    »Er ist ein Sohn, jemand, der genau so aussieht?« fragte sie Lanier.
    Der schüttelte den Kopf.
    Sie stand auf der obersten Stufe mit vor sich gefalteten Händen. »Bist du sicher, daß alles stimmt? Du machst dir einen Spaß mit mir.« Sie tat noch einen Schritt und fragte Lanier dann auf chinesisch: »Wer ist dieser Mann?«
    Lanier antwortete in der gleichen Sprache: »Er ist eine gute Imitation, wenn nicht sogar echt. Ich nehme ihn mit zu Korzenowski.«
    Karen ging ihnen langsam voraus, musterte den Russen und biß sich wieder auf die Lippe. »Woher sind Sie gekommen?«
    Der Russe sah zwischen ihnen vorbei und sagte: »Das habe ich noch nicht erklärt. Besser warten, bis alles herauskommt.«
    Karen sagte: »Sie können nicht Mirsky sein. Falls Sie meinen Gatten auf den Arm nehmen wollen… Alles, was wir gehört haben, müßte gelogen sein.«
    Überraschenderweise hatte Lanier diese Möglichkeit gar nicht bedacht. Natürlich hatte er nicht tatsächlich gesehen, daß Mirsky den Weg heruntergekommen war.
    »Keine Lügen«, sagte der Russe. »Ich bin erfreut, Sie endlich kennenzulernen. Ich habe Ihren Gatten immer für einen feinen Mann gehalten, einen wahren Führer, mit gesundem Urteilsvermögen. Ich beglückwünsche Sie beide.«
    »Warum?« fragte Lanier.
    »Daß Sie einander gefunden haben«, erklärte der Russe.
    »Danke!« sagte Karen scharf. »Hast du unserem Gast irgendwelche Erfrischungen angeboten, Garry?« Sie trug ihr Gepäck ins Blockhaus. Ihr Mißtrauen hatte sich in Ärger verwandelt.
    »Wir erwarten das Shuttle jede Minute«, antwortete er. »Wir haben etwas gegessen, und er hat ein Bier gehabt.«
    Der Russe lächelte bei der Erwähnung des Bieres. Seine Freude war ganz deutlich gewesen.
    Karen machte in der Küche verschiedene kleine Geräusche und setzte dann das unterbrochene Gespräch durch das verdeckte Fenster fort, das zur Veranda ging. »Wir werden zwanzig oder dreißig Dorfleiter und Politikstudenten von Christchurch sein und mit ihnen zur Achse Thoreau fliegen. Es wird eine Art von Konferenz sein, ganz im Stadtgedächtnis, um soziale Bande zu knüpfen, wofür sonst Jahre erforderlich wären. Wenn alles gut geht, werden sie danach so handeln, als ob sie eine Familie wären. Stell dir einmal vor, daß alle Politiker und ihre Wählerschaft familiär verbunden wären! Das könnte wundervoll sein.« Ihr Ton hatte sich geändert. Jetzt ignorierte sie das Geheimnis.
    Lanier fühlte sich plötzlich erschöpft. Alles, was er wünschte, war, auf der alten Couch vor dem Kamin zu liegen und die Augen zu schließen.
    »Hier kommt das Shuttle«, sagte der Russe und wies darauf hin. Ein weißer Wisch raste über der gegenüberliegenden Seite des Tales hoch und sank dann tief über die Bäume herab. Karen kam mit verkrampfter Miene wieder in die Veranda und schaute zu ihrem Gatten auf.
    »Was, zum Teufel, machst du?« fragte sie mit einem vorwurfsvollen Unterton. »Wohin geht ihr?«
    Lanier schüttelte den Kopf. »Zum Stein.« Alles verlor den Anschein von Realität. Nichts schien sehr wahrscheinlich. »Ich weiß nicht, wann wir zurück sein werden.«
    »Ihr solltet nicht allein gehen. Ich kann nicht mitkommen«, sagte sie.

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