Ewigkeit für deine Liebe
Dort wirst du Halt finden. Und tu es jetzt!«
»Meine Finger sind ganz taub«, antwortete sie.
»Tu es trotzdem.« Seine Stimme war fest und ruhig. Und sie klang auch nicht mehr so verärgert.
Das machte Emma Mut. Sie wusste zwar, dass ein Sturz aus dieser Höhe sie nicht umbringen würde, sie wollte sich aber auch nicht in einem fremden Land die Knochen brechen.
Langsam zog Emma ihren linken Fuß ein wenig höher und fand tatsächlich einen Halt. Das ermutigte sie, ihre Hand näher an ... ihn heranzuschieben, und sie atmete auf, als sie den kleinen Vorsprung in der Stufe fand.
»Und jetzt stoß dich mit dem Fuß ab und zieh dich hoch.«
Das versuchte sie, aber ihr Körper bewegte sich gerade genug, um einen günstigeren Ansatzpunkt zu finden.
»Und jetzt zieh dich hoch.«
Emma erwiderte den ruhigen Blick des Mannes und dachte, dass Augen sie noch nie zu etwas hatten überreden können, wie diese beiden hier es taten. Ohne Zögern befolgte sie seine Anweisungen aufs Wort und war innerhalb von Sekunden wieder auf der Treppe. Auf den Bauch liegend, aber in Sicherheit. Nach ein paar weiteren Sekunden, um sich zu fassen – und ihr hinaufgerutschtes T-Shirt und ihren Pullover über ihren nackten Bauch zu ziehen – drehte sie sich, ganz schwach vor Erleichterung, zu ihrem Retter um. »Danke ...«
Ein Frösteln lief über ihren Rücken. Sie blickte sich um, sah aber nichts außer dem leeren, Jahrhunderte alten Burghof. Ein kalter Wind kam von der See herein und verstärkte noch ihr Frösteln. Über ihr kreischte eine einsame Möwe.
Aber der Mann war nicht mehr da.
Merkwürdigerweise machte Emma weiter Fotos. Und noch seltsamer war, mit welcher Enttäuschung sie es tat.
6. Kapitel
N achdem Emma mehrere Tage weder sein Gesicht noch seinen Körper, seine Stimme oder eine Kombination des einen oder anderen gesehen oder gehört hatte, sah sie sich gezwungen, ihre Pensionswirtinnen nach dem Nachbarn auf der Burg zu fragen. Und wenn sie den Ballasters auch nur halb so lächerlich vorkam wie sie sich selbst, würde ihr das Ganze mehr als peinlich sein.
Sie war inzwischen völlig sicher, dass die netten älteren Damen mit den Versuchen, sie zu ängstigen, nichts zu tun hatten. Das waren keine verrückten kleinen Gesellschaftsspielchen oder Werbegags, um Gäste anzulocken und zu halten. Aber vielleicht hatten sie ja einen durchgeknallten Nachbarn? Wäre sie nicht so verängstigt gewesen und dann fast ausgerastet über das plötzliche Erscheinen und Verschwinden des Mannes, als sie auf der Burgtreppe gefallen war, wäre sie zu der Burgmauer an der Seeseite hinaufgerannt und hätte einen Blick hinabgeworfen. Dort hätte sie den Mann bestimmt dasselbe Seil hinunterklettern sehen, über das er in die Burg gekommen war.
Oder – und diese Alternative gefiel ihr besser – der Mann hatte einen der geheimen Tunnel des Piraten Garrick gefunden und benutzt. Das könnte auf jeden Fall eine Möglichkeit sein. Der Mann, der ihr geholfen hatte, kam zweifellos aus dieser Gegend, denn er hatte einen wirklich seltsamen Akzent.
Und eine faszinierende Stimme, wenn sie ehrlich sein sollte. Sie konnte fast nicht glauben, dass sie sich nicht die Zeit genommen hatte zu bemerken, wie tief und samten diese Stimme war.
Emma beeilte sich mit ihrem Haar, das sie nur zu einem losen Zopf geflochten hatte, und zog einen schwarzen Rollkragenpullover, eine andere Lieblingsjeans und ihre Wanderstiefel an und lief zum Frühstückszimmer der Pensionsgäste hinunter. Dort warteten die Schwestern schon auf sie und hatten genau wie an den letzten beiden Tagen ein leckeres Frühstück für sie vorbereitet.
Daran könnte ich mich gewöhnen, dachte Emma.
»Guten Morgen, Liebes!«, rief die immer etwas überdrehte Millicent. »Komm, setz dich hierher!« Sie waren schon längst zum Du übergegangen. »Die Brötchen sind gleich fertig!«
Der Frühstücksraum war ein Anbau, einer dieser ganz von Glas umschlossenen Wintergärten, die viele Bed & Breakfast-Besitzer zum Servieren phänomenaler Frühstücke benutzten. Die zierlichen, mit stilvoller weißer Spitze eingedeckten Tische an den Fenstern boten einen großartigen Ausblick auf die Burg. Emmas Tisch schmückte zudem noch eine Vase mit frischen Blumen, die alles farbenfroh und einladend erscheinen ließen.
Ein Teeservice stand schon für sie bereit, und so schenkte sie sich eine Tasse ein und gab einen gehäuften Löffel braunen Zucker und frische Sahne dazu. Das süße Getränk wärmte sie von innen
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