Ewigkeit
Dinge geklärt.«
»Sie war eine Spionin.«
»Da stimme ich dir zu.«
»Und sie ist nicht allein vorgegangen. Nicht, wenn es immer noch jemanden gibt, der codierte Mitteilungen sendet. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat sie Helfer in der Nähe.«
»Genau genommen wird einer dieser Helfer sogar morgen früh um neun ins Büro kommen«, sagte Floyd.
Custines Augen weiteten sich. »Die Schwester?«
»Sie ist aufgetaucht, genau, wie Blanchard gesagt hat.«
»Seid bitte sehr, sehr vorsichtig«, ermahnte Custine ihn.
»Ich habe die Sache im Griff. Jetzt würde ich gerne deine Version der Geschichte hören. Was, zum Teufel, ist heute passiert?«
Custine setzte sich auf der Matratze zurecht. »Ich habe im zweiten Stock mit meinen Ermittlungen begonnen, bei dem Mieter, den du gestern nicht angetroffen hast. Er war immer noch nicht zu Hause, also bin ich in Mademoiselle Whites Zimmer gegangen und habe erneut versucht, die Radioübertragungen aufzuzeichnen.«
»Hast du etwas erreicht?«
»Ja – und diesmal hatte ich ein Morsebuch dabei. Aber als ich die Nachricht übersetzt habe, musste ich feststellen, dass sie keinen Sinn ergab – eine willkürliche Buchstabenreihe. Ich habe sie angestarrt und angestarrt, bis mir etwas daran merkwürdig vertraut vorkam. Und dann fiel mir die Enigma-Maschine am Quai ein. In dem Moment wurde mir klar: Es hätte überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Informationen aus der Nachricht ziehen zu wollen. Selbst, wenn wir uns eine Enigma-Maschine des Typs, den Susan White benutzt hat, besorgen könnten, hätten wir immer noch nicht den leisesten Schimmer, welche Einstellungen wir vornehmen müssten, um die Nachricht zu entziffern.«
Floyd kratzte sich am Kopf. »Wie lange würde man brauchen, um alle Möglichkeiten durchzuprobieren?«
Custine schüttelte den Kopf. »Jahre, Floyd. Man soll die Verschlüsselung nicht so einfach knacken können. Darum geht es ja.«
»Also war die ganze Sache mit dem Radio völlig sinnlos?«
»Ganz im Gegenteil. Dadurch haben wir ziemlich viel über Susan White erfahren, auch wenn wir nicht wissen, was die Botschaften besagen. Aber wir wissen, dass es jemandem wichtig war, ihre Enigma-Maschine zu zerstören. Wer auch immer das getan hat, wusste ganz genau, wie entscheidend dieses Gerät war.«
»Also wurde sie von einem feindlichen Agenten ermordet«, überlegte Floyd laut.
»Ich glaube, davon können wir ausgehen«, antwortete Custine. »Und wer auch immer das getan hat, muss auch die Rotoreneinstellungen der Maschine vernichtet haben. Nichts in der Dose, die sie Blanchard überlassen hat, sieht nach einer Liste mit solchen Einstellungen aus. Vielleicht hat sie sie anderswo aufgeschrieben. Vielleicht hatte sie sie sogar nur im Kopf.«
»Wo wir gerade bei Blanchard sind …«, bemerkte Floyd.
»Als mir klar wurde, dass der Versuch, die Signale zu entschlüsseln, hoffnungslos war, habe ich das Radio wieder so hergerichtet, wie ich es am Vortag vorgefunden hatte, einschließlich der zerstörten Verbindungskabel. Ich packte mein Werkzeug ein und ging zu Blanchards Wohnung runter, um das heikle Thema anzusprechen, von dem wir gestern geredet haben.«
»Hast du es getan?«
»Ich erhielt keine Gelegenheit, dazu«, antwortete Custine. »Als ich an seine Wohnungstür klopfte, stellte ich fest, dass sie angelehnt war. Ich stieß sie auf und rief nach ihm. Niemand antwortete, aber ich hörte … Geräusche.«
»Was für Geräusche?«
»Schlurfen, Ächzen. Möbel, die bewegt wurden. Natürlich trat ich ein. Und dann habe ich das Kind gesehen: ein kleines Mädchen, vielleicht dasselbe, das wir gestern vor dem Haus gesehen haben, vielleicht auch ein anderes.«
»Was hat das Kind gemacht?«, fragte Floyd mit einem unguten Gefühl in der Magengegend.
»Es hat Monsieur Blanchard getötet.« Custine sagte es völlig ruhig und distanziert, als wäre er die Ereignisse im Kopf bereits so oft durchgegangen, dass sie ihn nicht mehr erschrecken konnten. »Blanchard lag auf dem Boden, den Kopf gegen ein Stuhlbein gedrückt. Das Kind hockte über ihm und hielt ihm mit einer Hand den Mund zu. In der anderen hielt es einen Schürhaken, mit dem es auf seinen Kopf einschlug.«
»Wie sollte ein Kind auf diese Art einen Mann überwältigen?«, fragte Floyd. »Er war vielleicht alt, aber nicht unbedingt gebrechlich.«
»Ich kann nur berichten, was ich gesehen habe«, erwiderte Custine. »Das Kind schien über enorme Kraft zu verfügen. Es hatte stockdünne Arme
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