Ewigkeit
mit ihr zu tun haben, weil ich mich von Claudette beobachtet gefühlt habe, so dumm sich das auch anhören mag.«
»Aber Sie haben ihr geholfen.«
»Ich sagte mir, dass es nicht schaden konnte, ihr zu zeigen, wie man mit dem Wettbogen umgeht, und sie hat eine entsprechende Wette platziert. Zu ihrer großen Überraschung hat ihr Pferd gewonnen. Daraufhin hat sie sich dann ein- bis zweimal die Woche mit mir beim Rennen verabredet. Ehrlich gesagt glaube ich, dass die Pferde sie mehr fasziniert haben als das Geld. Ich konnte immer wieder beobachten, wie sie die Pferde anstarrte, die auf der Jockeybahn ihre Runden drehten. Als hätte sie noch nie zuvor ein Pferd gesehen.«
»Vielleicht gibt es in Dakota keine Pferde«, überlegte Custine.
»Und weiter ging es nicht?«, fragte Floyd. »Sie haben sich ein- oder zweimal die Woche beim Rennen getroffen?«
»So fing es an«, antwortete Blanchard. »Und vielleicht hätte es damit auch enden sollen. Aber ich stellte fest, dass ihre Gesellschaft mir Freude bereitete. Ich sah in ihr etwas von meiner verstorbenen Frau. Sie hatte die gleiche Lebensfreude, die gleiche kindliche Begeisterungsfähigkeit für die einfachsten Dinge. Aber das wirklich Erstaunliche war, dass auch sie offenbar Gefallen an meiner Gesellschaft fand.«
»Also haben Sie sich später auch außerhalb der Rennbahn getroffen?«
»Ein- oder zweimal die Woche lud ich sie in meine Wohnung ein. Dann haben wir Tee oder Kaffee getrunken und manchmal ein Stück Kuchen gegessen. Dabei haben wir uns über alles Mögliche unterhalten, was uns in den Sinn kam. Das heißt, meistens habe ich geredet, weil sie für gewöhnlich mit Dasitzen und Zuhören zufrieden zu sein schien.« Kleine Fältchen durchzogen Blanchards Gesicht, als er lächelte. »Irgendwann habe ich dann gesagt: ›Jetzt sind Sie dran – ich habe unsere Unterhaltung schon genug in Beschlag genommen‹, worauf sie antwortete: ›Nein, nein, ich höre Ihre Geschichten wirklich gern.‹ Und das Sonderbare ist, dass sie dabei immer ganz und gar aufrichtig gewirkt hat. Wir haben über alles Mögliche geredet: über die Vergangenheit, über Filme, übers Theater …«
»Und hatten Sie jemals die Gelegenheit, ihre Wohnung von innen zu sehen?«
»Natürlich – ich war schließlich ihr Vermieter. Wenn sie nicht da war, konnte ich einfach den Nachschlüssel benutzen. Ich habe nicht herumgeschnüffelt«, fügte er verteidigend hinzu und beugte sich zur Bekräftigung vor. »Ich habe den anderen Mietern gegenüber die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die vertraglichen Bedingungen eingehalten werden.«
»Selbstverständlich«, sagte Floyd. »Ist Ihnen etwas aufgefallen, als Sie da drinnen nicht herumgeschnüffelt haben?«
»Nur, dass es immer sehr sauber und aufgeräumt war, und dass sie eine beachtliche Sammlung von Büchern, Schallplatten, Magazinen und Zeitungen hatte.«
»Also mit anderen Worten: ein richtiger kleiner Bücherwurm. Das ist allerdings kein Verbrechen, oder?«
»Nicht, wenn sich die Gesetze nicht geändert haben.« Blanchard hielt inne. »Allerdings gab es da etwas, das mir ziemlich ungewöhnlich vorkam. Soll ich es Ihnen sagen?«
»Kann nicht schaden.«
»Es waren immer wieder andere Bücher. Von einem Tag auf den anderen änderte sich zwar nichts, aber von Woche zu Woche waren es immer wieder neue. Und das Gleiche galt für die Magazine und Zeitungen. Es sah aus, als würde sie alles sammeln und dann anderswo unterbringen, um Platz für Neues zu schaffen.«
»Vielleicht hat sie genau das getan«, gab Floyd zu bedenken. »Wenn sie eine reiche Touristin war, hat sie vielleicht regelmäßig Pakete nach Hause geschickt.«
»Diese Möglichkeit hatte ich auch in Erwägung gezogen.«
»Und?«, fragte Floyd.
»Eines Tages bin ich ihr zufällig auf der Straße begegnet, weit weg von ihrer Wohnung. Es war reiner Zufall. Sie ging die Rue Monge entlang, zur Métro-Station am Cardinal Lemoine, im fünften Arrondissement. Sie mühte sich mit einem Koffer ab, und mir kam der Gedanke, dass sie vielleicht ihre Sachen gepackt hatte, um abzureisen.«
»Und die Miete zu prellen?«
»Nur dass sie schon bis zum Monatsende im Voraus bezahlt hatte. Weil ich ein schlechtes Gewissen wegen meiner Verdächtigungen hatte, beschloss ich, sie einzuholen und ihr mit dem Koffer zu helfen. Aber ich bin ein alter Mann und war nicht schnell genug. Beschämt, dass ich ihr nicht hatte helfen können, sah ich zu, wie sie in der U-Bahn-Station verschwand.« Blanchard nahm
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