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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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eine von mehreren geschnitzten Pfeifen auf einem Beistelltisch zur Hand und musterte sie gedankenverloren. »Ich dachte, damit wäre diese Angelegenheit erledigt, aber genau so schnell, wie sie verschwunden war, tauchte sie wieder auf. Es waren höchstens ein oder zwei Minuten vergangen, seit sie den Bahnhof betreten hatte, und sie trug noch immer den Koffer. Doch diesmal sah er sehr viel leichter aus. Es war ein windiger Tag, und der Koffer schwang gegen ihre Hüfte.«
    »Haben Sie das alles auch der Polizei erzählt?«, wollte Floyd wissen.
    »Das habe ich, aber es hat sie nicht interessiert. Sie haben gesagt, ich hätte mir den ganzen Vorfall nur eingebildet – oder ich hätte mir eingebildet, dass der Koffer vorher schwerer war als hinterher.«
    Floyd machte sich eine sorgfältige Notiz – ohne zu wissen, warum –, dass es sich hierbei um eine wichtige Beobachtung handelte. »Und das sind die ›Hinweise‹ auf ein Verbrechen, die Sie am Telefon erwähnten?«
    »Nein«, antwortete Blanchard. »Damit habe ich etwas ganz anderes gemeint. Zwei oder drei Wochen vor ihrem Tod änderte sich Mademoiselle Whites Verhalten. Sie kam nicht mehr zum Rennen, stattete mir keine Besuche mehr ab und verbrachte mehr und mehr Zeit außerhalb ihrer Wohnung. Bei den wenigen Gelegenheiten, als wir uns im Treppenhaus begegneten, wirkte sie abwesend.«
    »Haben Sie daraufhin einen Blick in ihr Zimmer geworfen?«
    Blanchard zögerte einen Augenblick, dann nickte er. »Sie hatte aufgehört, Bücher und Magazine zu sammeln. In ihrer Wohnung waren zwar noch eine ganze Menge, aber es gab keine Anzeichen, dass neue hinzugekommen oder alte fortgeschafft worden waren.«
    Floyd warf Custine einen Blick zu. »Na schön. Irgendwas muss sie also beschäftigt haben. Ich habe eine Theorie. Möchten Sie sie hören?«
    »Bezahle ich bereits dafür? Wir haben noch gar nicht über die Bedingungen gesprochen.«
    »Dazu kommen wir, wenn wir dazu kommen. Ich glaube, dass Mademoiselle White einen Liebhaber hatte. Sie hat sich in den letzten drei Wochen vor ihrem Tod mit jemandem getroffen.« Floyd beobachtete Blanchard genau, während er sich fragte, wie viel von alldem der alte Herr wirklich hören wollte. »Sie hat Zeit mit Ihnen verbracht – völlig unschuldig, das ist mir klar –, aber ihr neuer Liebhaber wollte sie plötzlich ganz für sich allein. Keine Besuche mehr beim Rennen, kein gemütlicher Plausch mehr in diesem Zimmer.«
    Blanchard schien die Theorie abzuwägen. »Und die Sache mit den Büchern?«
    »Hier kann ich nur raten, aber vielleicht hatte sie plötzlich Besseres zu tun, als sich in Buchläden und an Zeitungsständen herumzutreiben. Sie hat das Interesse daran verloren, ihre Bücherei aufzustocken, also gab es auch keinen Grund mehr, Pakete nach Dakota zu schicken.«
    »Das sind sehr viele gewagte Schlussfolgerungen«, sagte Blanchard, »auf der Grundlage eines auffälligen Mangels an Beweisen.«
    »Ich habe gesagt, dass es sich um eine Theorie handelt, nicht um einen wasserdichten Fall.« Floyd zog einen Zahnstocher hervor und kaute darauf herum. »Ich sage nur, dass die Sache vielleicht weniger geheimnisvoll ist, als sie auf den ersten Blick erscheint.«
    »Und ihr Tod?«
    »Der Sturz kann nach wie vor ein Unfall gewesen sein.«
    »Ich bin mir sicher, dass sie gestoßen wurde.« Blanchard griff unter seinen Stuhl und holte eine zerkratzte Keksdose mit Schottenkaromuster und der Fotografie eines Highland-Terriers auf dem Deckel hervor. »Vielleicht wird Sie das hier überzeugen.«
    Floyd nahm die Blechdose entgegen. »Ich muss wirklich auf meine Figur achten.«
    »Bitte öffnen Sie sie.«
    Floyd zog den Deckel mit den Fingernägeln auf. In der Dose befand sich ein von einem Gummiband zusammengehaltenes Bündel Zettel und Papiere.
    »Erklären Sie mir lieber, was das genau zu bedeuten hat«, sagte Floyd verwirrt.
    »Weniger als eine Woche vor ihrem Tod klopfte Mademoiselle White an meine Tür. Sie starb am zwanzigsten – es muss also um den fünfzehnten oder sechzehnten gewesen sein. Ich ließ sie ein. Sie war immer noch durcheinander und zerstreut, aber wenigstens war sie wieder dazu bereit, mit mir zu reden. Zuerst entschuldigte sie sich für ihre Unhöflichkeit in den vergangenen zwei Wochen und sagte mir, wie sehr sie die Pferde vermisste. Dann gab sie mir diese Dose.«
    Floyd zog das Gummiband vom Bündel ab und breitete die Papiere auf seinem Schoß aus. »Was hat sie Ihnen noch erzählt?«
    »Nur dass sie Paris vielleicht

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