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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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schließlich im Schatten zwischen den Laternen verschwand. Schicksalsergeben versuchte Floyd es mit der verglasten Tür, durch die das Mädchen gekommen war, und fand sie verschlossen vor. Daneben war eine Klingeltafel mit den Namen der Bewohner angebracht. Er fand Blanchards Namen und drückte auf den dazugehörigen Knopf.
    Sofort kam eine knisternde Stimme aus der Gegensprechanlage. »Sie sind spät dran, Monsieur Floyd.«
    »Heißt das, unsere Verabredung ist abgesagt?«
    Statt einer Antwort erklang ein Summen. Custine drückte versuchsweise gegen die Tür, die sich einen Spaltbreit öffnete.
    »Mal sehen, wie sich die Sache entwickelt«, sagte Floyd. »Das übliche Programm: Ich übernehme das Reden, du setzt dich dazu und beobachtest.«
    So arbeiteten sie für gewöhnlich. Floyd hatte schon vor langer Zeit festgestellt, dass sein nicht ganz perfektes Französisch die Menschen einlullte und sie dazu brachte, mit Sachen herauszuplatzen, die sie normalerweise für sich behalten würden.
    Der Flur führte direkt zu einem mit Teppichboden ausgelegten Treppenhaus, in dem sie bis zum Absatz im dritten Stock hochstiegen. Oben angekommen keuchten sie vor Anstrengung. Drei der Türen waren geschlossen, aber die vierte stand einen Spaltbreit offen. Ein schmaler Streifen elektrischen Lichts fiel auf den ausgetretenen Teppichboden. Durch den Türspalt spähte ein Auge. »Hier entlang, Monsieur Floyd. Bitte!«
    Die Tür öffnete sich weit genug, um Floyd und Custine in ein Wohnzimmer treten zu lassen, dessen Vorhänge bereits zugezogen waren, um die Dämmerung auszusperren.
    »Das ist mein Partner André Custine«, sagte Floyd. »Da es sich um eine Morduntersuchung handelt, dachte ich mir, dass zwei Augenpaare wahrscheinlich besser sind als eines.«
    Blanchard nickte ihnen höflich zu. »Möchten Sie einen Tee? Der Kessel ist noch heiß.«
    Custine wollte etwas sagen, aber Floyd dachte bereits daran, wie knapp die Zeit bis zu seinem Treffen mit Greta war, und kam ihm zuvor. »Das ist sehr freundlich, Monsieur, aber es ist wohl am besten, wenn wir gleich mit den Ermittlungen fortfahren.« Er nahm seinen Filzhut ab und legte ihn auf einen leeren Schachtisch. »Womit möchten Sie anfangen?«
    »Ich bin davon ausgegangen, dass Sie die Richtung der Ermittlungen vorgeben würden«, sagte Blanchard, während er die Tür hinter ihnen schloss.
    Floyds geistiges Bild vom Telefonanrufer erwies sich als erstaunlich nahe an der Wirklichkeit. Blanchard war ein dünner, alter Herr in den Siebzigern mit einer Hakennase, auf der halbrunde Brillengläser klemmten. Er trug eine Art Fes oder Nachtmütze, die sich einer genaueren Definition entzog, dazu ein gestepptes Nachthemd über einem gestreiften Schlafanzug. Seine Füße steckten in dicken Filzpantoffeln.
    »Vielleicht sollten Sie noch einmal von vorn anfangen«, sagte Floyd. »Erzählen Sie mir von diesem amerikanischen Mädchen. Was wissen Sie über sie?«
    »Sie war eine Mieterin, und sie hat ihre Miete immer pünktlich gezahlt.« Einen Moment lang stocherte Blanchard mit einem Schürhaken in der Asche im riesigen Jugendstil-Kamin herum. Auf dem Kaminsims beäugten zwei Buchstützen in Eulenform den Vorgang mit Edelsteinaugen. Floyd und Custine quetschten sich unbehaglich nebeneinander aufs Sofa.
    »Das ist alles?«, hakte Floyd nach.
    Blanchard blickte von der Feuerstelle auf. »Sie war drei Monate hier, bis zu ihrem Tod. Sie hatte das Zimmer zwei Stockwerke über diesem. Sie hätte lieber ein Zimmer etwas weiter unten gehabt – ich glaube, ich habe bereits erwähnt, dass sie keine Höhen mochte –, aber es stand keins zur Verfügung.«
    »Hat sie sich bei Ihnen deswegen beschwert?«, fragte Floyd. Sein Blick wanderte die Wand entlang, fiel auf eine Reihe afrikanischer Masken und Jagdtrophäen, von denen keine aussah, als sei sie in letzter Zeit abgestaubt worden. Eine Portraitfotografie, die ein hübsches junges Paar vor dem Eiffelturm zeigte, hing neben der Tür. Die Kleidung und der etwas steife Gesichtsausdruck der beiden ließen darauf schließen, dass das Foto vor mindestens fünfzig Jahren gemacht worden war. Floyd musterte das Gesicht des jungen Mannes und verglich es mit dem des alten Herrn, der ihr Gastgeber war.
    »Ja, sie hat sich bei mir beschwert«, antwortete Blanchard und ließ sich in einem Stuhl nieder. »Aber nicht bei ihrem Vermieter.«
    »Ich dachte, Sie wären …«, setzte Floyd an.
    »Ja, ich war ihr Vermieter, aber das wusste sie nicht. Keiner der Hausbewohner

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