Ewigkeit
weiß, dass ich etwas anderes bin als ein weiterer Mieter. Sie zahlen ihre Miete über einen Mittelsmann.«
»Eine sonderbare Regelung«, bemerkte Floyd.
»Aber ausgesprochen nützlich. So erfahre ich sowohl von ihren offiziellen Beschwerden und Unzufriedenheiten als auch von den inoffiziellen, einfach, indem ich mich im Treppenhaus mit ihnen unterhalte. Die fragliche Frau hat ihr Unbehagen niemals in schriftlicher Form zum Ausdruck gebracht, aber sie hat sich jedes Mal, wenn wir uns begegnet sind, über ihr Zimmer beschwert.«
Floyd warf seinem Partner einen Blick zu und sah dann wieder zu Blanchard. »Wie war der Name dieses Mädchens, Monsieur?«
»Sie hieß Susan White.«
»War sie verheiratet?«
»Sie trug keinen Ehering, und sie hat auch nie jemanden erwähnt.«
Floyd notierte sich die Information. »Hat sie Ihnen gesagt, wie alt sie war?«
»Ich glaube nicht, dass sie älter war als fünfunddreißig. Vielleicht sogar erst dreißig. Es war nicht leicht zu erkennen. Sie trug nicht so viel Make-up wie andere junge Frauen, wie die anderen Mieterinnen.«
Custine meldete sich zu Wort. »Hat sie Ihnen erzählt, was sie gemacht hat, bevor sie hierher gekommen ist?«
»Nur, dass sie Amerikanerin und recht gut auf der Schreibmaschine war. Apropos Schreibmaschine …«
»Woher aus Amerika?«, unterbrach Floyd, als ihm einfiel, dass Blanchard sich nicht ganz sicher gewesen war, als sie am Telefon miteinander gesprochen hatten.
»Dakota. Jetzt erinnere ich mich sehr deutlich daran. Sie hat gesagt, dass man es ihrem Akzent anhören könnte.«
»Also hat sie sich auf Englisch mit Ihnen unterhalten?«, fragte Floyd.
»Dann und wann, wenn ich sie darum gebeten habe. Ansonsten war ihr Französisch etwa so gut wie das von Ihnen.«
»Tadellos«, sagte Floyd lächelnd. »Für einen Ausländer.«
»Was hat Mademoiselle White in Paris gemacht?«, fragte Custine.
»Das hat sie mir nie erzählt, und ich habe nie danach gefragt. Allerdings konnte sie sich offenbar problemlos finanzieren. Vielleicht hatte sie eine Anstellung, aber das hätte bedeutet, dass sie ziemlich unregelmäßige Arbeitszeiten hatte.«
Floyd blätterte sein Notizbuch um und drückte die Seite fest an, damit das Papier die Tinte von den Notizen, die er sich bereits gemacht hatte, aufsaugte. »Klingt nach einer Touristin, die ein paar Monate in Paris verbringen und dann Weiterreisen wollte. Darf ich Sie fragen, wie Sie sich kennen gelernt haben und wie weit Ihre Beziehung ging?«
»Es war eine ganz und gar harmlose Bekanntschaft. Wir sind uns zufällig in Longchamp begegnet.«
»Beim Rennen?«
»Genau. Wie ich sehe, ist Ihnen die Fotografie von meiner verstorbenen Frau und mir aufgefallen.«
Floyd nickte, ein wenig beschämt, dass sein forschender Blick so offensichtlich gewesen war. »Sie war sehr hübsch.«
»Die Fotografie kann der Wirklichkeit nicht annähernd das Wasser reichen. Ihr Name war Claudette. Sie starb neunzehnhundertvierundfünfzig – vor nur fünf Jahren, aber es kommt mir vor, als hätte ich mein halbes Leben ohne sie verbracht.«
»Das tut mir Leid«, sagte Floyd.
»Claudette war vom Rennen begeistert.« Blanchard stand erneut auf und stocherte ohne sichtbare Ergebnisse im Feuer herum. Dann setzte er sich mit knackenden Gelenken. »Nach ihrem Tod konnte ich mich lange Zeit nicht dazu aufraffen, die Wohnung zu verlassen, ganz zu schweigen davon, wieder zum Rennen zu gehen. Aber eines Tages überwand ich mich dazu, genau das zu tun. Ich wollte in ihrem Andenken etwas Geld auf ein Pferd setzen. Ich sagte mir, dass sie es so gewollt hätte, aber ich fühlte mich trotzdem ein wenig schuldig, dass ich allein dort war.«
»So etwas sollten Sie nicht denken«, sagte Floyd.
Blanchard blickte ihn an. »Waren Sie jemals verheiratet, Monsieur Floyd, oder haben Sie schon einmal einen geliebten Menschen an eine lange, schwere Krankheit verloren?«
Ernüchtert blickte Floyd zu Boden. »Nein, Monsieur.«
»Dann können Sie – bei allem gebotenen Respekt – nicht wissen, wie das wirklich ist. Dieses Gefühl des Verrats … so absurd es auch sein mag. Aber dennoch habe ich weitergemacht, jede Woche ein bisschen Geld zurückgelegt und ab und zu kleine Beträge gewonnen. Und dabei habe ich Susan White getroffen.«
»Hat das Mädchen gewettet?«
»Nicht ernsthaft. Sie hat mich nur als einen der anderen Hausbewohner erkannt und mich gefragt, ob ich ihr bei einer kleinen Wette behilflich sein kann. Im ersten Moment wollte ich gar nichts
Weitere Kostenlose Bücher