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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sehr schnell würde verlassen müssen und dass ich auf die Dose aufpassen sollte, falls sie nicht mehr zurückkäme, um sie abzuholen.«
    Floyd warf einen schnellen Blick auf die Papiere. Es handelte sich um Reisedokumente, Quittungen, Karten, Zeitungsausschnitte. Darunter befand sich auch eine sorgfältig beschriftete Bleistiftskizze von etwas Rundem, das er nicht erkannte. Und eine Postkarte mit einer vergilbten Fotografie von Notre Dame. Floyd drehte sie um und stellte fest, dass die Karte beschrieben und mit einer Briefmarke versehen, aber nie abgeschickt worden war. Die Handschrift war sauber und mädchenhaft, mit übertriebenen Bogen und Schnörkeln. Sie war an einen Mr. Caliskan adressiert, der in Tanglewood, Dakota, lebte.
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich die Karte lese?«
    »Nur zu, Monsieur Floyd.«
    Im ersten Teil des Textes erzählte die Frau, dass sie vorhatte, den Nachmittag mit einem Einkaufsbummel zu verbringen, um sich nach Silberschmuck umzusehen, aber dass sie vielleicht ihre Pläne ändern musste, falls es Regen gäbe. Die Worte »Silber« und »Regen« waren sorgfältig unterstrichen. Das kam Floyd im ersten Moment sonderbar vor, doch dann erinnerte er sich an eine ältere Tante, die die Angewohnheit gehabt hatte, in ihren Briefen bestimmte Schlüsselwörter zu unterstreichen. Die Postkarte war mit »Susan« unterschrieben. Floyd nahm an, dass sie eher für einen Onkel oder Großvater als für einen Liebhaber oder engen Freund bestimmt gewesen war.
    Er faltete eine der Karten auf. Er hatte mit einem Touristenstadtplan von Paris oder einer Frankreichkarte gerechnet, aber dies war eine Karte von ganz Westeuropa in kleinem Maßstab, von Königsberg im Norden bis Bukarest im Süden, von Paris im Westen bis Odessa im Osten. Um Paris und Berlin waren Kreise eingezeichnet, die mit einer schnurgeraden Linie in der gleichen Tintenfarbe verbunden waren. Um Mailand war ein weiterer Kreis gezogen, der wiederum durch eine Linie mit Paris verbunden war. Insgesamt war es so etwas wie ein »L«, mit Paris im Winkel des Buchstaben und Berlin am Ende der längeren Linie. Über den Linien waren in sauberer Schrift die zwei Zahlen eingetragen:
    »875« über der Paris-Berlin-Achse und »625« neben der zwischen Paris und Mailand. Floyd schätzte, dass es sich um die Entfernungen zwischen den jeweiligen Städten handelte, allerdings in Kilometern und nicht in Meilen.
    Er kratzte mit dem Fingernagel über die Tinte, um sich zu vergewissern, dass es sich nicht um einen Teil der ursprünglichen Karte handelte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was die Markierungen zu bedeuten hatten, aber er nahm zumindest an, dass Susan White vielleicht die nächste Etappe ihrer Reise geplant und die Entfernungen zwischen Paris und den anderen Städten gemessen hatte, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Aber wozu musste ein Tourist solche Entfernungen so genau wissen? Schließlich folgten Züge und selbst Flugzeuge keinen geraden Linien, sondern mussten Rücksicht auf die geographische und politische Landschaft Europas nehmen. Aber vielleicht war ihr diese Kleinigkeit entgangen.
    Floyd faltete die Karte zusammen und blätterte den übrigen Papierkram durch. Er stieß auf einen Brief in deutscher Sprache von jemandem namens Altfeld, mit Schreibmaschine auf dickem Papier verfasst und mit einem Briefkopf, der die Insignien einer Schwerindustriefirma namens Kaspar Metall zeigte. Die Absender befand sich irgendwo in Berlin, und der Brief schien eine Antwort auf eine vorangegangene Anfrage von Susan White zu sein. Mehr konnte Floyd mit seinem dürftigen Deutsch nicht übersetzen.
    »Wie Liebesbriefe sehen die nicht gerade aus«, bemerkte Floyd.
    »Sie hat mir noch eine weitere Anweisung gegeben«, erklärte Blanchard. »Für den Fall, dass sie nicht zurückkehrte. Sie erwähnte, dass ihre Schwester vielleicht nach ihr suchen würde. Falls das der Fall wäre, sollte ich ihr diese Dose geben.«
    »Sie machte sich wegen irgendetwas Sorgen«, sagte Floyd. »Zumindest in diesem Punkt sind wir uns einig.«
    »Sie sind immer noch nicht überzeugt, dass man sie vorsätzlich getötet hat? Sollten Sie nicht ganz wild darauf sein, einen Mordfall zu übernehmen? Ich werde Sie gut bezahlen. Wenn Sie keinerlei Hinweise finden, dass sie ermordet wurde, werde ich Ihr Urteil akzeptieren.«
    »Ich will nicht, dass Sie Ihr Geld oder meine Zeit verschwenden«, erklärte Floyd. Custine warf ihm einen Seitenblick zu, als zweifelte er an seiner geistigen

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