Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
die Wohnung, in der die Amerikanerin die letzten drei Monate ihres Lebens verbracht hatte. Blanchard erklärte Floyd, dass das Zimmer seit ihrem Sturz unbewohnt war. »Es ist kaum etwas angerührt worden«, fügte er hinzu. »Das Zimmer ist durchgelüftet worden, aber davon abgesehen ist alles so, wie sie es hinterlassen hat. Sogar das Bett war gemacht. Sie war eine sehr ordentliche junge Frau, ganz im Gegensatz zu einigen meiner anderen Mieter.«
    »Ich verstehe, was Sie mit den Büchern gemeint haben«, sagte Floyd. Die Dielen knarrten unter seinen Schritten, während er durchs Zimmer ging, um Susan Whites Sammlung zu begutachten. Bücher, Zeitschriften und Tageszeitungen bedeckten jede horizontale Fläche, eingeschlossen einen guten Teil des Bodens. Allerdings war alles ordentlich gestapelt und sortiert. Alles deutete auf eine systematische Anschaffung und Lagerung zum Zweck der Verschickung hin. Er dachte daran, wie Blanchard sie mit einem schwer beladenen Koffer auf dem Weg zur Métro-Station gesehen hatte, und gelangte zum Schluss, dass sie jede Woche Dutzende dieser Exkursionen gemacht haben musste, wenn die Sammlung sich so schnell verändert hatte, wie Blanchard behauptete.
    »Vielleicht entdecken Sie darin ja irgendeine Logik, die mir entgeht«, sagte Blanchard, der noch immer zögernd in der Tür stand.
    Floyd beugte sich vor, um sich einen Stapel Schallplatten anzusehen. »Gehören die hier auch zu dem Zeug, das sie gesammelt und verschickt hat?«
    »Ja. Untersuchen Sie sie, wenn Sie möchten.«
    Floyd blätterte durch den Stapel absolut neuwertiger Platten. Er hoffte auf irgendetwas, das ihm Aufschluss über die Denkweise dieser Frau geben würde, aber die Platten waren so unterschiedlicher Natur wie alles andere hier. Jazzplatten, von denen Floyd einige sogar selbst besaß, und eine Hand voll Aufnahmen klassischer Musik. Der Rest der Sammlung schien nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt zu sein, ohne Rücksicht auf bestimmte Vorlieben.
    »Sie mochte also Musik«, stellte er fest.
    »Nur, dass sie nie auch nur eine dieser Platten abgespielt hat.«
    Floyd betrachtete eine Platte genauer, studierte die Hülle und dann die Rillen mit kritisch zusammengekniffenen Augen. In letzter Zeit waren eine große Menge Raubkopien von geringer Qualität auf dem Schallplattenmarkt aufgetaucht. Für das ungeübte Ohr klangen sie akzeptabel, aber für jemanden, dem Musik wirklich etwas bedeutete, stellten sie geradezu eine Beleidigung dar. Man munkelte, dass die Fälscher irgendwo in der Gegend von Paris arbeiteten, wo sie die billigen Kopien in einem unterirdischen Presswerk herstellten. Nachdem Floyd selbst auf ein oder zwei dieser schlechten Kopien hereingefallen war, hatte er gelernt, sie zu erkennen. Wahrscheinlich waren mehr als ein paar Platten der Toten Raubkopien, aber wenn sie sie gar nicht anhörte, war sie selber schuld.
    Floyd steckte die Schallplatte zurück in die Hülle und erhob sich. Dabei fiel ihm ein altes Kurbelgrammophon in einer Ecke auf, das neben einem moderneren drahtlosen Röhrenradio stand. »War das ihr Plattenspieler?«, erkundigte er sich.
    »Nein. Der gehört zum Zimmer. Muss schon seit dreißig Jahren dastehen.«
    »Und sie hat nie eine dieser Schallplatten darauf abgespielt?«
    »Ich habe niemals Musik aus ihrem Zimmer gehört. Die wenigen Male, als ich hier vorbeigekommen bin oder in der Wohnung unter dieser war, habe ich nur Radiogeräusche gehört.«
    »Was für Radiogeräusche?«
    »Ich konnte nichts Genaues verstehen. Sie hatte das Radio immer sehr leise gestellt.«
    Floyd strich mit dem Finger durch den Staub auf dem Radio. »Haben Sie das Gerät seit ihrem Tod benutzt?«
    »Wie ich schon sagte, das Zimmer ist durchgelüftet worden. Das war alles.«
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich nachsehe, was sie gehört hat?«
    »Sie arbeiten jetzt für mich, Monsieur Floyd. Ich erlaube Ihnen, alles zu tun, was Sie für angemessen halten.«
    »Ich überprüfe den Balkon«, sagte Custine. »Mal sehen, ob man leicht herunterfallen kann.«
    Floyd glättete den ausgetretenen und welligen Teppich und ging neben dem Radio in die Hocke. Es war ein zwanzig Jahre altes Philips-Gerät mit Gehäuse aus Walnussholz. Während seiner ersten fünf Jahre in Paris hatte Floyd ein ganz ähnliches Modell sein Eigen genannt. Er schaltete es ein und hörte das Brummen warmlaufender Röhren und ein Knistern aus dem Lautsprecher. Es funktionierte noch.
    Er spürte einen leichten Luftzug im Nacken, als Custine

Weitere Kostenlose Bücher