Ewigkeit
»Willkommen im Kontingenzministerium – unserem älteren, sehr viel verschwiegeneren und manipulativeren Bruder.«
»Dieses Ministerium gibt es nicht.«
»Genau das ist der Punkt.«
Sie führten sie durch eine Reihe von Sicherheitsuntersuchungen, bei denen unter anderem ein großer, schlangenförmiger Roboter aus Slasher-Produktion zum Einsatz kam, der mit dem durchgestrichenen »A« markiert war. Das bedeutete, dass diese Maschine ganz klar nicht den Asimov’schen Gesetzen gehorchte. Auger spürte ein Kribbeln im Nacken, als der Roboter sie untersuchte.
Jenseits des Sicherheitsbereichs befand sich ein kurzer Korridor mit einer angelehnten Tür am Ende. Orangefarbenes Licht fiel durch den Spalt auf die schwarzen Bodengitter. Ein bewaffneter Wachmann mit Sichtgerät stand vor der Tür und verfolgte ihren Weg über den Flur. Durch den Spalt waren Geräusche zu hören: hohe Kratz- und Scharrlaute, die ihre Zähne schmerzen ließen. Die Geräusche hatten eine Regelmäßigkeit und Strukturiertheit, die Auger als musikalisch erkannte, obwohl sie nicht sagen konnte, um welche Art von Musik es sich handelte. Sie biss die Zähne zusammen, fest entschlossen, sich von den unangenehmen Geräuschen nicht beunruhigen zu lassen – denn genau dazu waren sie offensichtlich gedacht.
Der Wachmann trat beiseite und bedeutete ihr, durch die Tür zu gehen. Ihr fiel auf, dass er Kopfhörer unter dem Helm trug. Molinella und Ringsted blieben zurück und ließen sie allein eintreten.
Auger stieß die Tür auf, worauf ihr die Musik in voller Lautstärke entgegenschlug. Sie trat in ein fensterloses Zimmer, das etwa so groß wie ihre gesamte Wohnung, aber sehr viel opulenter ausgestattet war. Es sah eher wie ein Wohnzimmer aus dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert aus, wie es vielleicht von einem eifrigen Erforscher der Naturwissenschaften eingerichtet worden wäre. Hinter einem gewaltigen Schreibtisch stand ein älterer Mann, der mit dem Rücken zu Auger ganz damit beschäftigt war, die Musik zu erzeugen, die den Raum erfüllte. Er trug eine purpurfarbene Smokingjacke aus Satin, sein silberweißes Haar war zurückgekämmt und fiel ihm über den Kragen. Seine Hände bearbeiteten das Instrument, das er sich unters Kinn geklemmt hatte. Mit den Fingern der einen Hand drückte er die Saiten an, während er mit der anderen einen langen Holzbogen hielt, den er über die Saiten zog. Der ganze Körper des Mannes bewegte sich zu den Klängen, die er hervorbrachte.
Es war grässlich. Auger spürte, wie leichte Übelkeit in ihr aufstieg, aber sie zwang sich, standhaft zu bleiben. Der Mann erinnerte sie an jemanden, den sie gut kannte, aber aus einem völlig anderen Zusammenhang.
Dann wandte er sich um, als er ihre Gegenwart bemerkte, und hörte auf zu spielen. Der Bogen kam quietschend zum Halt.
Es war Thomas Caliskan, der Musiker. Der Leiter des Antiquitätenministeriums und der Mann, den sie sich vor nicht allzu langer Zeit persönlich zum Feind gemacht hatte, indem sie ihm die akademische Anerkennung für einen ihrer Aufsätze verweigert hatte.
Caliskan legte die Violine auf den Schreibtisch. »Hallo, Verity. Schön, dass Sie gekommen sind.«
Fünf
Am Bahnhofseingang versuchte ein bebrillter junger Mann im Überzieher, Floyd ein vervielfältigtes Flugblatt in die Hand zu drücken.
»Lesen Sie das, Monsieur«, sagte er in gebildetem Französisch. »Lesen Sie es, und wenn Sie unsere Ziele teilen, kommen Sie nächste Woche zur Demonstration. Noch kann man etwas wegen Chatelier unternehmen.«
Der Junge war achtzehn oder neunzehn, die Haare unter dem Kinn dünn wie auf einer Pfirsichhaut. Er war wahrscheinlich Medizinstudent oder Rechtsanwalt in Ausbildung. »Warum sollte ich etwas wegen Chatelier unternehmen wollen?«, fragte Floyd.
»Sie sind Ausländer. Ich höre es an Ihrem Akzent.«
»Laut dem Pass in meiner Tasche bin ich Franzose.«
»Das wird bald nicht mehr viel wert sein.«
»Meinen Sie damit, dass ich mich in Acht nehmen sollte?«
»Das sollten wir alle«, erwiderte der junge Mann. Energisch drückte er Floyd das Flugblatt in die Hand. Floyd knüllte es zusammen und wollte es schon wegwerfen, doch dann veranlasste ihn ein mäßigender Impuls, es in die Tasche zu stecken, wo es außer Sicht war.
»Danke für die Warnung, Meister«, sagte er zum Jungen.
»Sie glauben mir nicht, oder?«
»Junge, wenn man so viel rumgekommen ist wie ich …« Floyd schüttelte den Kopf, als ihm klar wurde, dass er es mit
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