Ewigkeit
seinem Zimmer scheuchen, wie? Du behandelst den armen Kerl wie ein Stück Dreck.«
»Bislang hat er sich nie beschwert.«
Greta stieß die Doppeltür zum Café auf und hielt einen Augenblick auf der Schwelle inne, als würde sie für ein Foto posieren. Von innen war das Café ein Kaleidoskop aus Wandspiegeln und Zigarettenrauch, überdacht von einer opulent bemalten Zimmerdecke, wie eine Miniaturausgabe der Sixtinischen Kapelle. Ein Kellner wandte sich mit offen abweisender Miene zu ihnen um und schüttelte knapp und bestimmt den Kopf.
Floyd ignorierte ihn und ging zum nächsten Tisch. »Zwei Orange Brandys, Monsieur«, sagte er auf Französisch. »Und machen Sie sich keine Sorgen – wir bleiben nicht lange.«
Der Kellner brummte etwas und wandte sich ab. Greta setzte sich Floyd gegenüber, zog Hut und Handschuhe aus und legte sie vor sich auf die Tischplatte aus Zink. Sie drückte ihre Zigarette in einem Aschenbecher aus und schloss die Augen in tiefer Resignation oder Müdigkeit. Im Licht des Cafes erkannte er, dass sie gar keinen Lidschatten aufgetragen hatte, sondern einfach nur völlig übermüdet war.
»Es tut mir Leid, Floyd«, sagte sie. »Ich bin nicht gerade bester Stimmung, wie du vielleicht bemerkt hast.«
Floyd tippte sich an die Nase. »Mein detektivisches Gespür lässt mich niemals im Stich.«
»Aber reich hat es dich nicht gemacht, oder?«
»Ich warte immer noch auf das Klopfen an der Tür.«
Ihr musste wohl etwas an seinem Tonfall aufgefallen sein – eine Spur von Hoffnung oder Erwartung. Einen Augenblick lang musterte sie ihn, dann griff sie in ihre Handtasche und steckte sich eine neue Zigarette in die Spitze. »Ich bin nicht dauerhaft zurückgekehrt, Floyd. Als ich gesagt habe, dass ich Paris verlassen werde, habe ich es auch so gemeint.«
Der Kellner brachte ihnen die Brandys, wobei er Floyds Glas wie ein schlechter Verlierer beim Schach auf den Tisch knallte.
»Ich habe nicht ernsthaft geglaubt, dass sich etwas geändert hätte«, erwiderte Floyd. »In deinem Brief hast du geschrieben, dass du zurückkommst, um deine Tante zu besuchen, bis es ihr wieder besser geht …«
»Bis sie stirbt«, berichtigte Greta ihn und zündete ihre Zigarette an.
Der Kellner war sichtlich nervös. Floyd suchte in seiner Hemdtasche nach einem Geldschein, fand etwas, das er dafür hielt, und warf es auf den Tisch. Es war die Fotografie von Susan White beim Pferderennen. Das Bild landete mit der Vorderseite nach oben direkt vor Greta.
Greta zog an ihrer Zigarette. »Ist das deine neue Freundin, Floyd? Sie ist ziemlich hübsch, das muss man ihr lassen.«
Floyd steckte das Foto wieder ein und bezahlte den Kellner. »Sie ist ziemlich tot. Das muss man ihr auch lassen.«
»Tut mir Leid. Was …?«
»Unser neuer Fall«, erklärte Floyd. »Die Frau auf dem Bild hat sich im Dreizehnten von einem Balkon im fünften Stock gestürzt. Das war vor ein paar Wochen. Sie war Amerikanerin – und das ist so ziemlich alles, was man über sie weiß.«
»Also ein klarer Fall.«
»Vielleicht«, antwortete Floyd und nahm einen Schluck Brandy. »Übrigens gibt es keine.«
»Keine was?«
»Keine neue Freundin. Ich habe mich mit niemandem getroffen, seit du gegangen bist. Du kannst Custine fragen. Der wird für mich bürgen.«
»Ich habe dir gesagt, dass ich nicht zurückkomme. Meinetwegen musstest du nicht im Zölibat leben.«
»Aber du bist zurück.«
»Nur kurzfristig. Nächste Woche um diese Zeit werde ich wahrscheinlich nicht mehr in Paris sein.«
Floyd blickte durchs beschlagene Schaufenster des Cafes, hinter dem die Bahnhofshalle lag. An einem Bahnsteig fuhr gerade ein Zug langsam in die Nacht hinaus. Er stellte sich Greta in so einem Zug vor, wie sie nach Süden zurückfuhr, wie er sie zum letzten Mal sehen würde, sofern er weichgezeichnete Fotografien in Musikwochenblättern nicht mitzählte.
Schweigend leerten sie ihre Drinks, verließen Le Train. Bleu und durchquerten erneut das stählerne Bahnhofsgewölbe. Inzwischen war es beinahe leer, abgesehen von einer Hand voll Nachzügler, die auf den einen oder anderen letzten Zug warteten. Floyd führte Greta nach draußen, zum Ausgang, den er zuvor genommen hatte. Als sie näher kamen, hörte er einen Aufruhr – Stimmen, die sich in Wut oder Trotz erhoben.
»Was ist da los, Floyd?«, fragte Greta.
»Warte hier.«
Trotzdem folgte sie ihm. Als sie um die Ecke kamen, sahen sie sich einer Szene aus Licht und Schatten gegenüber, wie ein Standbild aus einem
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