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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Nanocaust hatte die Straße bereits seit mehr als hundert Jahren existiert. Man hatte sie in dieser Zeit neu aufgebaut, den Verlauf angepasst, sie verbreitert und mit Lenksystemen ausgestattet, die den automatisierten Verkehr bewältigen konnten, aber sie war immer mehr oder weniger wiedererkennbar geblieben, von Gebäuden und Hindernissen eingerahmt, die allzu radikale Veränderungen unmöglich machten. Auf den wenigen physischen Stadtplänen, die Auger in den Händen gehabt oder untersucht hatte, war die Périphérique immer da gewesen. Sie war genauso Teil der Stadtlandschaft wie die Seine und die zahlreichen Gärten und Friedhöfe.
    Warum also fehlte sie auf diesem Stadtplan?
    Mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen drehte sie die Karte um und suchte nach Angaben zum Druckdatum. Unten auf dem Pappeinband war eine kleine Copyrightangabe mit dem Jahr 1959 zu erkennen. Der Stadtplan war mehr als ein Jahrhundert vor dem Ende gedruckt worden – sogar noch vor der Fertigstellung der Périphérique. Es war äußerst sonderbar, dass es überhaupt keinen Hinweis auf die Straße gab – nicht einmal unfertige Bereiche oder Andeutungen des geplanten Verlaufs –, aber vielleicht war die Karte ja schon veraltet gewesen, als man sie in Druck gegeben hatte.
    Warum schickte ihr jemand sinnlose Faksimiles? Wenn sie sie daran erinnern wollten, was unter den Champs-Elysées geschehen war, konnte sie sich weitaus weniger subtile Methoden vorstellen.
    Als sie die Karte erneut begutachtete, fiel ihr noch etwas auf, das nicht ganz stimmte, ein weiteres störendes Detail, das es nicht in ihre bewusste Wahrnehmung schaffte … aber sie würde sich nicht in solche albernen Rätselspielchen hineinziehen lassen. Auger faltete den Plan zusammen und steckte ihn in ein anderes Röhrchen zurück, um ihn an irgendeinen zufälligen Zielort zu befördern.
    »Das brauche ich wirklich nicht«, murmelte sie.
    Jemand klopfte an. Peter? Aber das Klopfen klang zu hart und geschäftsmäßig für ihn. Sie zog in Erwägung, den Besucher zu ignorieren, aber wenn es jemand vom Antiquitätenministerium war, würde man früher oder später sowieso einen Weg finden, in ihr Heim einzudringen. Und wenn es Neuigkeiten vom Tribunal gab, wollte sie sie lieber gleich hören.
    Sie riss die Tür auf. »Was ist?«
    Es waren zwei Besucher: ein junger Mann und eine junge Frau. Sie trugen dunkle, ausgesprochen förmliche Geschäftsanzüge mit steifen, weißen Kragen. Beide hatten ordentliches, blondes Haar, das zu glänzenden Strähnen zurückgegelt war. Sie sahen fast wie Bruder und Schwester aus. Beide verströmten eine angespannte Energie, wie zusammengedrückte Sprungfedern. Sie waren gefährlich und effizient und wollten, dass Auger das merkte.
    »Verity Auger?«, fragte die Frau.
    »Sie wissen ganz genau, wer ich bin.«
    Die Frau hielt Auger eine glänzende Marke mit Spiegelfolie und Hologrammen entgegen. Unter den Sternen und Streifen der VENS drehte sich das Bild eines weiblichen Kopfes und Oberkörpers um die vertikale Achse. »Sicherheitsministerium. Ich bin Agentin Ringsted. Das ist mein Kollege Agent Molinella. Sie werden uns begleiten.«
    »Ich habe noch fünf Tage bis zum Tribunal«, erwiderte Auger.
    »Sie haben noch fünf Minuten«, berichtigte Ringsted sie. »Reicht Ihnen das, um sich fertig zu machen?«
    »Moment«, sagte Auger, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Mein Tribunal ist eine Angelegenheit des Antiquitätenministeriums. Es mag sein, dass ich da unten Mist gebaut habe – das ist allerdings kein Schuldeingeständnis –, aber selbst wenn, geht das die Sicherheit überhaupt nichts an. Ich dachte, Sie sind dafür verantwortlich, die Interessen der gesamten Gemeinschaft zu schützen. Haben Sie nichts Besseres mit Ihrer Zeit anzufangen, als mir das Leben noch schwerer zu machen?«
    »Haben Sie schon gehört, dass das Übertretungsministerium an Ihrem Fall dran ist?«, erkundigte sich Ringsted. »Es heißt, dass man Ihren Kopf will. Man ist dort der Meinung, dass die allgemeinen Verfahrensweisen zu lasch werden. Die Leute denken, dass Sie einfach auf der Erde herumspazieren können, wie es Ihnen passt, ohne an die Folgen zu denken.«
    Molinella nickte zustimmend. »Das Übertretungsministerium ist der Meinung, dass ein Kriminalprozess mit Schuldspruch und eine schwere Strafe möglicherweise genau das richtige Signal sind.«
    »Meinen Sie mit ›schwerer Strafe‹ die Sorte, die mit einem Eintrag auf den Nachrufseiten endet?«, fragte

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