Ewigkeit
Tagen des kurzen, aber verbitterten Krieges, der zwischen den Slashern und Stokern um das Recht auf den Zugang zur Erde ausgebrochen war.
Auger erinnerte sich kaum an den Krieg. Als Kind war sie vor den schlimmsten Nachrichten abgeschirmt worden. Aber im Grunde war es noch gar nicht so lange her, und bis heute hatte man den Eindruck, dass bestimmte Rechnungen immer noch nicht beglichen waren. Sie dachte an Caliskan, der bei der Schlacht um die Wiedereroberung von Phobos einen Bruder an die Slasher verloren hatte. Für ihn musste es sein, als hätte der Krieg erst gestern stattgefunden. Wie konnte er nach diesem schweren Verlust bereitwillig akzeptieren, das die Slasher wieder auf der Erde mitmischten? Wie konnte er so kalt sein, so politisch?
Bald folgte eine neue Serie von Manövern, die diesmal jedoch behutsamer ausgeführt wurden, und dann wurde Auger geradezu schlagartig der Blick auf die Verödete Zone verwehrt, als die beleuchteten, maschinenbestückten Wände einer Andockbucht heranglitten. Dahinter wurde für einen kurzen Moment ein gekrümmter, luftloser Horizont aus sehr dunklem Fels sichtbar.
Der Mars war eine Fehlinformation gewesen. Er war gar nicht ihr Ziel.
Das Empfangskomitee auf der anderen Seite der Luftschleuse bestand aus acht Männern und Frauen in militärischen VENS-Uniformen, die von zwei Schlangenrobotern begleitet wurden.
»Ich bin Aveling«, sagte der größte und dünnste Mann der Gruppe, während er Auger mit blassen, aluminiumgrauen Augen musterte. Seine Stimme klang verlebt; er sprach mit einem langsamen, trockenen Krächzen, das für sie nur schwer zu verstehen war. »Für die Dauer Ihrer Mission werden Sie von mir Befehle und Anweisungen entgegennehmen. Wenn Sie damit ein Problem haben, sollten Sie es ganz schnell überwinden.«
»Und wenn ich es nicht überwinden kann?«, fragte sie.
»Dann setzen wir Sie ins erste Schiff, das nach Tanglewood zurückkehrt – und zu einem unangenehmen Tribunal, das Ihnen ansonsten erspart bleibt.«
»Während mir nur die Hälfte meines Gedächtnisses fehlt.«
»Korrekt.«
»Wenn Sie damit kein Problem haben, werde ich versuchen, vorläufig von Ihnen Befehle entgegenzunehmen, und mal schauen, ob es funktioniert.«
»Gut«, sagte Aveling.
Er hatte den Blick eines Scheusals, und zwar von der Sorte, die noch furchteinflößender war, weil er intelligent und kultiviert zu sein schien, während er gleichzeitig den unvermeidlichen Eindruck erweckte, jeden in der Nähe töten zu können, bevor er oder sie noch einmal nach Luft schnappen konnte. Auger war nicht über ihn informiert worden, aber sie wusste sofort, dass er ein Kriegsveteran war und vermutlich mehr Slasher getötet hatte, als sie im Laufe ihres Lebens begegnet war. Und das Ganze hatte ihm wahrscheinlich keine einzige schlaflose Nacht bereitet.
»Es wäre trotzdem schön, wenn mir jemand sagen würde, warum ich eigentlich auf Phobos bin«, sagte Auger, während sie sich mit Avelings Gruppe vom Shuttle entfernte, gefolgt von den Schlangenrobotern.
»Was wissen Sie über Phobos?«, fragte Aveling. Er klang, als wäre sein Kehlkopf aus Fetzen zusammengenäht worden, als hätte man ihn wie ein geschreddertes Dokument rekonstruiert.
»Ich weiß nur, dass man sich fern halten sollte. Sonst kaum etwas. Der Mars ist im Großen und Ganzen zivil, aber Sie und die anderen Jungs vom Militär haben die Monde ziemlich fest im Griff.«
»Die Monde stellen die ideale strategische Plattform dar, um den Planeten gegen Überfälle der Slasher zu verteidigen. Angesichts der ohnehin vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen sind sie außerdem die ideale Einrichtung, um sich im Vorfeld mit brisanten Angelegenheiten auseinander zu setzen.«
»Zähle ich zu diesen brisanten Angelegenheiten?«
»Nein, Auger. Sie zählen zu den nervigen Angelegenheiten. Wenn es etwas gibt, das ich mehr hasse als Zivilisten, dann ist es, nett zu Zivilisten sein zu müssen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie sich im Augenblick nett verhalten?«
Sie führten Auger zu einer kleinen, fensterlosen Kabine mit geschlossenen Türen, hinter denen weitere Räume lagen. Die Kabine enthielt drei Stühle, einen niedrigen Tisch und eine Wasserkaraffe mit zwei Gläsern. Ein grauer Schrank nahm eine ganze Wand ein und war mit Magnetbändern in weißen Plastikspulen voll gestopft. Daneben stand ein P-Mail-Trichter.
Dann ließen sie Auger allein. Sie goss sich ein Glas Wasser ein und kostete vorsichtig davon. Sie hatte das Glas halb
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