Ewigkeit
Schwarze und Weiße gut miteinander auskommen, und erst recht nicht, dass sie die gleiche Musik spielen. Denn es besteht immer die Gefahr, dass die Welt dadurch wirklich besser werden könnte.«
Floyd lächelte. »Worauf willst du hinaus?«
»Die Leute, denen nicht alles egal ist, sollten nicht so schnell aufgeben. Vielleicht müssen wir von Zeit zu Zeit unseren Kopf riskieren.«
»Ich werde für niemanden meinen Kopf riskieren.«
»Nicht einmal für die Musik, die du liebst?«
»Vielleicht hat es einmal eine Zeit gegeben, in der ich gedacht habe, Jazz könnte die Welt retten. Aber jetzt bin ich älter und weiser geworden.«
Als sie den Kiesweg entlanggingen, begegneten sie wieder der Gruppe mit dem älteren Mann, und plötzlich klickte etwas in Floyds Kopf wie ein Schlüssel in einem gut geölten Schloss. Vielleicht lag es am Gespräch mit Marguerite oder daran, dass er den Mann in der Nähe des Gefängnisses gesehen hatte. Auf jeden Fall erkannte Floyd ihn mit einem Mal wieder. Der Mann kauerte vornüber gebeugt im Rollstuhl, der Kiefer hing ihm herunter, und ein Speichelfaden schlängelte sich wie ein Wurm über sein Kinn. Seine Haut klebte wie eine dünne Schicht Pappmache an seinem Schädel. Seine Hände zitterten wie bei einer Schüttellähmung. Von dem, was sich unter der Decke befand, hieß es, dass die Ärzte ihm mehr weggeschnitten als übrig gelassen hatten. Was nun durch seine Adern floss, war eher eine Mischung aus Chemikalien als Blut. Aber er hatte die Krebsgeschwülste überlebt, genauso wie er das Attentat im Mai 1940 überlebt hatte, als der Vorstoß in die Ardennen ein unrühmliches Ende gefunden hatte. Die Züge seines Gesichts waren immer noch erkennbar, genauso wie der aus der Mode gekommene arrogante kleine Schnurrbart und die eitle Haartolle, die einst voller und schwärzer gewesen war. Es war beinahe zwanzig Jahre her, seit seine ehrgeizigen Pläne während jenes katastrophalen Sommers zerschmettert und verbrannt worden waren. Im Karneval der Ungeheuer, die das Jahrhundert hervorgebracht hatte, war er nur einer von vielen. Damals hatte er Hass gepredigt – aber wer hatte das nicht getan? In jenen Jahren hatte man mit Hass am meisten bewirken können. Hass war der Hebel, mit dem man Dinge in Bewegung setzte. Das bedeutete nicht zwangsläufig, dass er selbst daran geglaubt hatte oder dass er schlimmer für Frankreich gewesen wäre als irgendeiner der Männer, die nach ihm gekommen waren. Wer konnte ihm einen Morgen in den Tuilerien verübeln, nachdem er so lange Zeit im Gare d’Orsay verbracht hatte? Jetzt war er nur noch ein trauriger alter Mann, der eher Abscheu als Mitleid erregte.
Sollte er die Enten füttern.
»Floyd?«
»Was?«
»Du warst gerade meilenweit weg.«
»Nicht Meilen, sondern Jahre«, sagte er. »Das ist nicht ganz dasselbe.«
Sie dirigierte ihn zum Stand des Eiskremverkäufers. Floyd kramte in seiner Hosentasche nach ein paar Münzen.
Zehn
Auger erwachte vom schnellen, metallischen Rattern der Schubdüsen. Es klang wie eine Nietmaschine. Ihr erster Gedanke war, dass etwas schief gelaufen war, doch Aveling und Skellsgard wirkten keineswegs besorgt, sondern nur aufmerksam und konzentriert, als hätten sie so etwas schon einmal erlebt.
»Was ist los?«, fragte sie benommen.
»Schlafen Sie weiter«, sagte Aveling.
»Ich möchte es aber wissen.«
»Wir haben es nur mit einer Tunnelirregularität zu tun«, sagte Skellsgard und zeigte mit der freien Hand auf die abstrakte Darstellung vor ihrer Konsole mit dem Joystick. Nun war sie es, die das Schiff lenkte, während Aveling sich ausruhte. Die wandernden Bögen auf dem Bildschirm waren eingebeult und gewellt. »Die meiste Zeit sind die Wände relativ glatt, aber gelegentlich stoßen wir auf Strukturen, um die wir herumlenken müssen.«
»Strukturen? Innerhalb eines Wurmlochs?«
»Es ist kein Wurmloch«, setzte Skellsgard zu einer Erklärung an. »Es ist ein …«
»Ich weiß. Es ist ein Quasi-pseudo-para-was-weiß-ich. Ich meine nur, wie kann es irgendwelche Strukturen in diesem Ding geben? Besteht es nicht in der gesamten Länge aus glatter Raumzeit?«
»Das sollte man erwarten.«
»Sie sind für die Theorie zuständig. Erklären Sie es mir.«
»Um genau zu sein, müssen wir uns hier größtenteils auf Vermutungen stützen. Die Slasher haben uns nicht alles gesagt, und vielleicht können sogar sie nicht alle Fragen beantworten.«
»Dann nennen Sie mir Ihre wahrscheinlichste Vermutung.«
»Also
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