Ewigkeit
hat.«
»Als hätte sie den Inhalt an einen anderen Spion weitergegeben.«
»Exakt. Aber auch das ist nur ein Indiz. Sie kann den Inhalt des Koffers genauso gut an einen Spediteur übergeben haben.«
»Das ist etwas, das für mich keinen Sinn ergibt«, sagte Floyd. Die Platte näherte sich der Stelle, wo sie häufig stecken blieb, und er stampfte mit dem Fuß auf die Bodendielen, um die Nadel zu bewegen, in der Rille zu bleiben. Er machte es so geschickt, dass der Sprung kaum zu hören war. »Ganz gleich, ob wir damit vor Gericht durchkommen oder nicht – wir haben mehr als genug Beweise, dass sie in irgendwelche Spionagetätigkeiten verwickelt war. Aber was hat sie mit den Büchern und den übrigen Sachen gemacht? Wie passen sie in die Geschichte?«
»Ein Teil ihrer Tarnidentität als Touristin?«
»Vielleicht. Aber wenn das stimmt, warum hat sie sich dann nicht wie eine anständige Touristin, sondern wie eine Kulturelster benommen und einen Koffer nach dem anderen mit all diesem Zeug gefüllt?«
»All dieses Material könnte etwas von großer Bedeutung enthalten haben«, sagte Custine. »Schade, dass wir nicht wissen, was sich im Koffer befunden hat.«
»Aber wir wissen, was in ihrem Zimmer zurückgeblieben ist, und wir können vermuten, dass sie auch das weggeschafft hätte, wenn sie nicht von dieser Arbeit abgehalten worden wäre.«
»Doch nichts davon machte den Eindruck, dass es der Aufmerksamkeit eines Spions würdig sein sollte. Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Schallplatten … all das ließe sich mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad auch in den Vereinigten Staaten beschaffen.«
»Irgendetwas daran muss für sie von großer Wichtigkeit gewesen sein«, sagte Floyd. »Ich habe hier noch etwas: ›Silberregen‹.«
»Silberregen?«
»Hat das für dich irgendeine Bedeutung?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Susan White hat diese Worte auf einer Postkarte unterstrichen, die sie nie abgeschickt hat.«
Custine zuckte die Achseln. »Es könnte sonstwas bedeuten. Oder überhaupt nichts.«
»Für mich klingt es wie ein Codewort – ein Codewort für eine ziemlich unangenehme Sache.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Custine lächelnd. »Aber nur, weil du ausschließlich Spione im Kopf hast.«
»Dann wäre da noch die Sache mit der Schreibmaschine.«
»Ja, das ist etwas sehr Seltsames. Ich habe über die Schreibmaschine nachgedacht, und auch hier könnte mehr dahinterstecken, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Erinnerst du dich, dass Blanchard uns den Karton gezeigt hat, in dem sie ausgeliefert wurde?«
»Er sagte, es wäre ein deutsches Modell«, sagte Floyd.
»Ja. Und als er uns den Karton zeigte – und den Namen erwähnte – hat mich das an etwas erinnert. Das Problem ist nur, dass ich nicht darauf komme, wie diese zwei Punkte miteinander zusammenhängen können.«
»Woran hat es dich erinnert?«
»Ein Zimmer im Quai: eine fensterlose Zelle in dem Teil des Gebäudes, wo früher die Verhöre stattfanden, beleuchtet von einer einzigen Glühbirne. Eine Zelle mit emaillierten Kacheln an den Wänden – die sich leicht reinigen lassen. Allerdings verstehe ich nicht, warum sich in so einem Raum eine Schreibmaschine befinden sollte.«
»Zur Aufnahme des Protokolls?«
»Was in diesen Zimmern geschah, Floyd, wurde in der Regel nicht protokolliert.«
»Warum dann die Schreibmaschine?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht erinnere ich mich später daran, wenn ich eine Weile an etwas anderes denke.«
Sie schwiegen, während die Bechet-Platte zum Ende kam, dann saßen sie für längere Zeit da und lauschten auf das Rauschen und Kratzen der Nadel in der Endrille, als würden sie darauf hoffen, im Scharren und Schlurfen eine Botschaft zu entdecken, einen flüsternden Hinweis, der die entscheidende Wendung in diesem Fall brachte. Aber nichts kam.
Schließlich stand Floyd auf und hob die Nadel von der Schallplatte. Sie verließen das Büro und stiegen die Treppe hinunter und um den Techniker herum, der immer noch mit der Zeitung dahockte und auf das Ersatzteil wartete. Dann fuhren sie nach Montparnasse. Custine wartete im Mathis, während Floyd hinaufging, um Greta zu holen.
Sie trat in das abendliche Zwielicht hinaus, in Schwarz, dünn und knochig, wie eine Skizze aus der Vogue. Sie trug eine schwarze Pelzstola und ein schwarzes Pagenkäppi mit gepunktetem Schleier, und als sie unter der Laterne stand, sah sie wie eine Million Dollar aus. Doch als sie näher kam, wirkte sie erschöpft
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