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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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bis zum Place d’Italie und durchquerten dann ein dunkler werdendes Labyrinth von Seitenstraßen, bis sie auf dem Boulevard Raspail waren. Floyd schaltete das Autoradio ein und suchte nach Jazz, aber er bekam nur traditionelle französische Akkordeonmusik herein. Das war jetzt der neue Trend. Traditionelle Musik war in, Jazz war out. Chatelier selbst hatte den Jazz als moralisch gefährlich bezeichnet, als wäre die Musik eine Art Droge, die nicht auf den Straßen geduldet werden durfte.
    Wenn Floyd Akkordeonmusik hörte, fühlte er sich jedes Mal seekrank. Also schaltete er das Radio wieder aus.
    »Ich muss dich noch was fragen«, sagte Custine.
    »Dann frag.«
    »Es gibt eine Möglichkeit, über die wir noch gar nicht gesprochen haben. Sie betrifft den alten Mann.«
    »Spuck es aus.«
    »Hältst du es für denkbar, dass er sie getötet hat?«
    Floyd dachte einen Moment lang darüber nach, dann schüttelte er den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn, André. Wenn die Polizei gar nicht an diesem Fall interessiert ist, dann sollte er es doch tunlichst unterlassen, diese gefährliche Büchse der Pandora zu öffnen.«
    »Wenn man die menschliche Natur betrachtet, ist vieles möglich. Was ist, wenn es für ihn ein Geheimnis gibt, das er ergründen muss? Nachdem die Polizei die Ermittlungen eingestellt hat, konnte er nur noch auf die Dienste von Privatdetektiven zurückgreifen.«
    »Alle Beweise, die wir bislang zusammengetragen haben, deuten nicht in Blanchards Richtung.«
    »Aber wir wissen, dass er Zugang zu ihrem Zimmer hatte. Er ist die einzige Person, die Schlüssel zu allen Wohnungen hat. Was wäre, wenn sie doch einen Liebhaber hatte und Blanchard davon erfahren hat?«
    »Wie hängt das mit dem Radio, der zerschmetterten Schreibmaschine und den Papieren in der Dose zusammen?«
    »Vielleicht treibt er ein doppeltes Spiel mit uns und wirft uns falsche Hinweise vor die Füße, während er hofft, dass wir sie durchschauen und …«
    »Ist das die Methode, die du beim Quai gelernt hast?«
    »Ich sage nur, dass wir diese Möglichkeit nicht ausschließend dürfen. Er macht den Eindruck eines netten alten Herrn, aber das tun nicht selten die schlimmsten Verbrecher.«
    »Ich glaube, du hast dich zu lange in diesem Zimmer eingesperrt, André.«
    »Mag sein«, sagte Custine. »Trotzdem, eine gewisse Portion Misstrauen kann bei unserer Arbeit nie schaden.«
    Floyd bog auf den Boulevard Saint-Germain ab. »Ich stimme dir zu, dass es eine Möglichkeit ist, auch wenn alle anderen Beweise dagegen sprechen. Ich muss sogar zugeben, dass mir selbst dieser Gedanke durch den Kopf gegangen ist.«
    »Na also.«
    »Aber dennoch glaube ich nicht, dass er sie ermordet hat. Wenn du jedoch das Bedürfnis verspürst, in dieser Richtung nachzuforschen … ich bin mir sicher, dass du es bewerkstelligen kannst, ohne allzu taktlos vorzugehen. Frag ihn noch einmal, warum die Polizei den Fall nicht übernehmen will. Frag ihn, ob er jemanden kennt, der vielleicht eifersüchtig war, weil er so viel Zeit mit der Frau verbracht hat.«
    »Ich werde die Diskretion in Person sein«, sagte Custine.
    »Das will ich hoffen. Wenn er die Beherrschung verliert und unseren Vertrag kündigt, müssen wir uns neue Räumlichkeiten in einem weniger angenehmen Teil der Stadt suchen.«
    »Ich dachte, es gäbe gar keinen weniger angenehmen Teil der Stadt.«
    »Darauf wollte ich hinaus«, entgegnete Floyd.
    Er parkte den Mathis. Im Briefkasten gab es nichts Neues, weder Rechnungen noch geheimnisvolle Briefe von vergangenen Liebhaberinnen. Er beschloss, diesen Umstand als glückliche Wendung zu verbuchen.
    Doch der Aufzug war schon wieder außer Betrieb und saß irgendwo im vierten Stock fest. Der Techniker von der Aufzugfirma saß auf der untersten Treppenstufe, rauchte eine Zigarette und studierte die Zeitungsseiten mit den Ergebnissen der Pferdewetten. Er war ein kleiner Mann mit einem Mausgesicht und pomadisiertem Haar, der nach Karbolseife roch. Er nickte Floyd und Custine zu, als sie an ihm vorbeistiegen.
    »Viel zu tun, Maurice?«, fragte Floyd.
    »Ich warte auf ein Ersatzteil aus der Firmenzentrale, Monsieur Floyd.« Er zuckte ausdrucksvoll die Achseln. »Bei dem Verkehr, der heute herrscht, könnte es Stunden dauern, bis es eintrifft.«
    »Überanstrengen Sie sich nicht«, sagte Floyd.
    Maurice tippte sich grüßend an die Schläfe und widmete sich wieder der Zeitung.
    Als sie ihr Büro betraten, räumte Custine das Werkzeug weg, wusch sich das Gesicht und die Hände,

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